Oslo. Den diesjährigen Friedensnobelpreis erhält die Europäische Union (EU). Das teilte das Nobelpreiskomitee am Freitag in Oslo mit. Die Entscheidung für die EU des norwegischen Nobelpreiskomitees sei einstimmig gefallen, berichtete der Sender NRK am Freitag unter Berufung auf vertrauenswürdige Kreise.

Den diesjährigen Friedensnobelpreis erhält die Europäische Union (EU). Die Union und ihre Vorläufer trügen seit mehr als sechs Jahrzehnten zu Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten in Europa bei, erklärte das Komitee zur Begründung. Auch wenn die EU derzeit mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten und sozialen Unruhen zu kämpfen habe, wolle das Nobelkomitee den Blick auf den wichtigsten Erfolg der Union richten: den erfolgreichen Kampf für den Frieden und die Demokratie, begründete das Norwegische Nobelkomitees in Oslo am Freitag die Entscheidung.

Das "grauenvolle Leiden" des Zweiten Weltkrieges habe gezeigt, dass ein neues Europa benötigt werde, erklärte das Nobelkomitee. Dies habe die europäische Integration geleistet. Die EU wurde schon mehrfach als Kandidatin für die Auszeichnung gehandelt.

Auszeichnung mit Friedensnobelpreis ein wichtiges Zeichen für EU

Norwegens öffentlicher Rundfunksender NRK hatte am Vorabend der Bekanntgabe des diesjährigen Friedensnobelpreisträgers vier Favoriten für die Auszeichnung genannt. Der weißrussische Menschenrechtsaktivist Ales Beliatski, die russische Menschenrechtsaktivistin Ljudmila Alexejewa und der mexikanische Bischof José Raúl Vera López gehörten zum engsten Kreis, berichtete der häufig gut informierte Sender am Donnerstag. Als weiterer heißer Kandidat galt da auch schon die Europäische Union.

Die europäische Integration gilt als Musterbeispiel der friedlichen Zusammenarbeit von Staaten. In der aktuellen Eurokrise ist die Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis ein wichtiges Zeichen für die EU. Überreicht wird der Preis am 10. Dezember, dem Todestag von Stifter Alfred Nobel.

Stimmen zur Verleihung des Nobelpreises

„Die Entscheidung des Nobelpreiskomitees, die Europäische Union mit dem Friedensnobelpreis auszuzeichnen, ist eine der klügsten Entscheidungen seit Jahren", so der Vorsitzende der NRW-CDU Armin Laschet in einer Pressemitteilung. "Nirgendwo auf der Welt sind jahrhundertealte Feindschaften mit Millionen Toten in eine Friedens- und Freiheitsgemeinschaft verwandelt worden. Und nach 1989 ist auch die Überwindung der starren Frontenstellung zwischen West und Ost durch die Osterweiterung gelungen", heißt es weiter.

Die CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok hält den Friedensnobelpreis für die EU für eine "lange verdiente Auszeichnung". "Die EU hat Krieg in Europa unmöglich gemacht", sagte er im Interview der Nachrichtenagentur dapd. Der Preis sei gerade in der schweren Zeit "ein wichtiges Zeichen der Ermutigung, dass wir die Finanzkrise bewältigen". Der Außenpolitiker hält die Anerkennung für mehr als gerechtfertigt. "Sie zeigt die bedeutende Rolle, die die EU für den Zusammenhalt und für den Frieden in Europa und der Welt hat".

"Große Ermutigung" für Europäer

Die Verleihung des Friedensnobelpreises an die Europäische Union (EU) ist nach den Worten des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröders (SPD) "eine große Ermutigung" für die Europäer. "Für das Zusammenwachsen Europas kommt sie zum richtigen Zeitpunkt und stärkt die Kräfte, die sich für eine weitere Integration der Europäischen Union einsetzen", sagte Schröder am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. "Sie ist eine deutliche Absage an Nationalismus und Kleinstaaterei."

Alle Entscheidungsebenen der Europäischen Union müssten diese höchste Auszeichnung als Ansporn nehmen, den Weg zu einer verstärkten Integration mit aller Kraft fortzusetzen. Nur so könne die Europäische Union als eine sozial, wirtschaftlich, kulturell und politisch erfolgreiche Gemeinschaft Vorbild für andere Regionen sein. Zuvor hatte das Nobelpreiskomitee die Vergabe des Preises an die EU mitgeteilt.

Der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, hat den Friedensnobelpreis für die Europäische Union als "große Ehre für die gesamte EU" bezeichnet. "Es ist eine große Ehre für die gesamte EU, alle 500 Millionen Bürger, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet zu werden", erklärte Barroso am Freitag über den Internet-Kurznachrichtendienst Twitter.

Guido Westerwelle, Bundesaußenminister: "Das ist eine großartige Entscheidung, die mich stolz und glücklich macht. Die europäische Integration ist das erfolgreichste Friedensprojekt der Geschichte. Aus den Trümmern von zwei schrecklichen Weltkriegen sind Frieden und Freiheit gewachsen, aus Erbfeinden sind gute Freunde und untrennbare Partner geworden."

Der Hintergrund zum Friedensnobelpreis 

Nach dem Testament des schwedischen Dynamit-Erfinders Alfred Nobel soll der Friedensnobelpreis Persönlichkeiten oder Organisationen auszeichnen, die am meisten auf "die Verbrüderung der Völker" hingewirkt haben. Besonders hervorgehoben wurden "die Abschaffung oder Verminderung der stehenden Heere" sowie die Ausrichtung von Friedenskongressen. Im Unterschied zu den anderen Nobelpreisen wird der Friedenspreis von einem Ausschuss zuerkannt, den das norwegische Parlament in Oslo beruft. Dessen fünf Mitglieder wählen den Preisträger aus einer Liste von Kandidaten.

Vorschläge können neben den Komiteemitgliedern auch frühere Preisträger, Mitglieder von Regierungen und Parlamenten, Angehörige internationaler Organisationen sowie Universitätsprofessoren für Politik, Geschichte und Philosophie einreichen. Bei der Verleihung soll keine Rücksicht auf die Nationalität genommen werden.

Das Komitee überreicht den mit zehn Millionen schwedischen Kronen (1,1 Millionen Euro) dotierten Preis am 10. Dezember, dem Todestag Nobels. Den ersten Friedenspreis erhielten 1901 der Gründer des Roten Kreuzes, Henri Dunant, und der Gründer der französischen Friedensgesellschaft, Frédéric Passy. Bisher wurden vier Deutsche mit dem Preis ausgezeichnet: Gustav Stresemann, Ludwig Quidde, Carl von Ossietzky und Willy Brandt. (afp/rtr/dapd)

Liste der Friedensnobelpreisträger seit 1970  

Den ersten Friedensnobelpreis erhielten 1901 der Gründer des Roten Kreuzes, Henri Dunant, und der Gründer der französischen Friedensgesellschaft, Frédéric Passy. Als erste Frau bekam die Schriftstellerin und Friedensaktivistin Bertha von Suttner den Preis im Jahr 1905.

Seit 1970 wurden folgende Persönlichkeiten und Organisationen ausgezeichnet:

  • 1970: Norman E. Borlauq, US-Agrarwissenschaftler
  • 1971: Willy Brandt, deutscher Bundeskanzler
  • 1972: Keine Preisvergabe
  • 1973: Henry Kissinger, US-Außenminister, und Le Duc Tho, nordvietnamesischer Außenminister; Tho nahm den Preis nicht an
  • 1974: Eisaku Sato, ehemaliger japanischer Ministerpräsident, und Sean MacBride, UN-Kommissar für Namibia
  • 1975: Andrej Sacharow, sowjetischer Physiker und Menschenrechtsaktivist
  • 1976: Mairead Corrigan und Betty Williams, Mitbegründerinnen einer nordirischen Frauenfriedensgruppe
  • 1977: Amnesty International
  • 1978: Anwar el Sadat, ägyptischer Staatspräsident, und Menachem Begin, israelischer Ministerpräsident
  • 1979: Mutter Teresa, Ordensschwester in Kalkutta
  • 1980: Adolfo Perez Esquivel, argentinischer Menschenrechtsaktivist
  • 1981: UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR)
  • 1982: Alva Myrdal, Schweden, und Alfonso Garcia Robles, Mexiko
  • 1983: Lech Walesa, Führer der polnischen Gewerkschaft Solidarität
  • 1984: Bischof Desmond Tutu, Südafrika
  • 1985: Internationale Vereinigung der Ärzte zur Verhinderung eines Atomkrieges (IPPNW)
  • 1986: Elie Wiesel, US-Schriftsteller
  • 1987: Oscar Arias, Präsident von Costa Rica
  • 1988: Die Friedenstruppen der Vereinten Nationen
  • 1989: Dalai Lama
  • 1990: Michail Gorbatschow
  • 1991: Aung San Suu Kyi, birmanische Oppositionspolitikerin
  • 1992: Rigoberta Menchu, guatemaltekische Bürgerrechtlerin
  • 1993: Frederik de Klerk, südafrikanischer Präsident, und ANC-Präsident Nelson Mandela
  • 1994: Jizchak Rabin, israelischer Ministerpräsident, Schimon Peres, israelischer Außenminister, und Jassir Arafat, PLO-Chef
  • 1995: Joseph Rotblat und seine Pugwash-Bewegung für die Abschaffung von Atomwaffen
  • 1996: Bischof Carlos Filipe Ximenes Belo und Jose Ramos-Horta, Osttimor
  • 1997: Internationale Kampagne zum Verbot von Landminen (ICBL) und ihre Koordinatorin Jody Williams
  • 1998: John Hume und David Trimble, nordirische Politiker
  • 1999: Ärzte ohne Grenzen
  • 2000: Kim Dae Jung, südkoreanischer Präsident
  • 2001: Vereinte Nationen und Generalsekretär Kofi Annan
  • 2002: Jimmy Carter, früherer US-Präsident
  • 2003: Schirin Ebadi, iranische Menschenrechtlerin
  • 2004: Wangari Maathai, kenianische Umweltschützerin
  • 2005: Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) und ihr Generaldirektor Mohamed ElBaradei
  • 2006: Muhammad Yunus und das von ihm gegründete Armenhilfsprojekt der Grameen Bank in Bangladesch
  • 2007: Al Gore, früherer US-Vizepräsident, und der Weltklimarat (IPCC)
  • 2008: Martti Ahtisaari, ehemaliger finnischer Präsident
  • 2009: Barack Obama, US-Präsident
  • 2010: Liu Xiaobo, chinesischer Dissident
  • 2011: Ellen Johnson Sirleaf, liberianische Präsidentin, Leymah Gbowee, liberianische Aktivistin, und Tawakkul Karman, jemenitische Bürgerrechtlerin
  • 2012: Europäische Union