Essen. . Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck macht Platz für Malu Dreyer (SPD), bisher Sozialministerin in Rheinland-Pfalz. Sie glaubt, dass Frauen ohne Quote keine faire Chance in der Politik haben. Die Rollstuhlfahrerin Dreyer fordert den Bund auf, den Bau von behindertengerechten Wohnungen wieder zu fördern.
Ministerpräsident Kurt Beck macht Platz für Malu Dreyer (SPD), bisher Sozialministerin in Rheinland-Pfalz. Sie gilt als perfekte Wahl. Die 51-Jährige bringt einen betont freundlichen Stil in die Politik. Noch eine Besonderheit: Malu Dreyer ist an Multipler Sklerose (MS) erkrankt, sitzt zeitweise im Rollstuhl.
Im Interview spricht die designierte Ministerpräsidentin über Frauen in der Politik und die Hindernisse, auf die Behinderte stoßen.
Frau Dreyer, Ministerpräsidentinnen wie Annegret Kramp-Karrenbauer oder Hannelore Kraft pflegen einen anderen Stil: moderat, freundlich, offen. Ist der laute Macho-Typ in der Politik auf dem absteigenden Ast?
Malu Dreyer: Die Frauen kämpfen seit Jahren darum, an der Spitze anzukommen. Nie war eine Frauen-Generation so gut ausgebildet wie diese. Also sollten sie auch Spitzenpositionen in Politik und Wirtschaft haben.
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Geht das ohne Quoten?
Dreyer: Nein. Es gibt tatsächlich die „gläserne Decke“, die Frauen daran hindert, nach oben zu kommen. Man sieht die guten Auswirkungen einer Frauenquote an den Parteien, die eine eingeführt haben. Dort konnten die Frauen aufsteigen und erfolgreich ihr Amt ausfüllen.
Sie gelten als herzlich, fröhlich, charmant. Ihre Haupt-Charaktereigenschaften?
Dreyer: Das stimmt schon. Ich bin in der Pfalz geboren, also gehe ich offen auf die Menschen zu.
Es heißt, der christliche Glaube sei für Sie wichtig.
Dreyer: Ich bin ein gläubiger Mensch und gehe ab und zu in die Kirche. Die Spiritualität gibt mir eine innere Kraft.
Wenn Sie etwas sofort ändern könnten, was wäre das?
Dreyer: Ich würde sofort den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn einführen. Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Es gibt zu viele Menschen in unserem Land, die für Niedriglöhne arbeiten müssen. Das heißt: Sie leben heute nicht gut, und sie werden auch später nicht gut leben. Zu viele Menschen schlittern in die Altersarmut.
In vielen Artikeln über Sie geht es um ihre Krankheit. Sind sie einverstanden, dass dies so weit oben angesiedelt wird?
Dreyer: Meine Krankheit ist kein Tabu, steht aber auch nicht im Mittelpunkt meines Lebens und meiner Arbeit.
Wie reagieren die Leute, wenn Sie im Rollstuhl sitzen?
Dreyer: Unterschiedlich. In meiner Heimat Trier bin ich oft mit dem Rolli unterwegs. Das ist dort gar nichts Besonderes. Aber viele Rheinland-Pfälzer kennen mich eben nicht im Rollstuhl. Manchmal brauchen sie eine kleine Zeit der Gewöhnung, aber das geht schnell.
Ein Problem ist die nicht vorhandene Barrierefreiheit in Deutschland.
Dreyer: Im Vergleich mit den USA gibt es da bei uns viel zu tun. Dort gibt es seit Jahrzehnten ein Anti-Diskriminierungsgesetz. Sie können als Mensch mit Handicap problemlos mit Bussen oder mit der U-Bahn fahren. Dort ist es kaum vorstellbar, dass Gebäude und Wohnungen nicht barrierefrei sind. Wer in den USA mit dem Rolli unterwegs ist, begegnet offenen, zugewandten Menschen. Das fällt positiv auf.
Wie steht es um die Inklusion in Rheinland-Pfalz?
Malu Dreyer: Wir waren das erste Bundesland mit eigenem Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Menschenrechtskonvention. Wir sind ein Vorbildland in dieser Hinsicht. Dennoch: In unseren Städten gibt es viele ältere Häuser, die nicht barrierefrei sind. Da ist auch der Bund gefordert. Der hat die KfW-Programme zum barrierefreien Umbau eingestampft. Angesichts des demografischen Wandels ist das nicht zu verantworten. Die Menschen brauchen solche Wohnungen.karind