Washington. Der in den Vereinigten Staaten ebenso populäre wie umstrittene TV-Sender „Fox News“ zeigt eine Auto-Verfolgungsjagd mit anschließendem Selbstmord live und entschuldigt sich für das, was “nie hätte passieren dürfen“ ohne nähere Erklärung nach der nächsten Werbepause.

Der letzte ehrbare Moment von Shepard Smith im Fernsehen liegt etwas sieben Jahre zurück. Als der Mann von „Fox News“ zur Berichterstattung über das Versagen der Regierung George W. Bush in das Katastrophengebiet des Hurrikan Katrina nach New Orleans entsandt wurde, sagte er auf dem bis heute stramm den Republikanern hörigen Sender, was zu sagen war: „Die Reichen und Einflussreichen wurden sofort nach der ersten Sturmwarnung evakuiert. Die Armen bleiben zurück.“

Letzten Freitag hatte Smith, inzwischen zum Moderator des erfolgreichen und wegen fortgesetzter Faktenverdreherei zugleich umstrittenen Nachrichtenkanals aufgestiegen, eine weniger glückliche Hand. Während seiner Sendung zeigte Fox in epischer Breite eine vom Hubschrauber live gefilmte Verfolgungsjagd, die sich in Arizona ein Autodieb mit der Polizei lieferte.

Erst als der Fahrer tödlich zusammengebrochen war, blendete die Regie aus

Am Schluss stieg der 33-jährige Jodon Romero auf einem Feldweg aus, lief panisch ein paar Meter, stolperte, stand wieder auf und jagte sich mit einem Revolver vor laufender Kamera eine Kugel in den Kopf. Obwohl Smith zuvor erklärte, ihn beschleiche ein ungutes Gefühl. Obwohl Smith vor der Verzweiflungstat hektisch „Abschalten!, Abschalten“ rief.

Erst als Romero tödlich zusammengebrochen war, blendete die Regie aus. Binnen weniger Stunden twitterten Tausende Zuschauer geschockt über den Fehltritt des Senders. Nach der Werbepause entschuldigte sich Shepard Smith wortreich für das, was „nie hätte passiere dürfen“ und fügte hinzu: "Wir haben alles getan, damit so etwas nicht geschieht."

Fox News bleibt Erklärungen schuldig

Die Verfolgungsjagd und die anschließende Selbsttötung des Jodon Romero zeigte der US-Fernsehsender
Die Verfolgungsjagd und die anschließende Selbsttötung des Jodon Romero zeigte der US-Fernsehsender "Fox News" live.

In der Regel, belehrte der Moderator, baue die Technik bei der Berichterstattung über Kriminalität in Echtzeit ein Zeitpolster von fünf Sekunden ein. Falls also Dinge passieren, die nicht auf den Fernsehschirm gehören, könne die Studioleitung rechtzeitig den roten Knopf drücken. Warum das in diesem Fall ausblieb, obwohl sich das Unheil durch das erratische Verhalten des Auto-Flüchtlings angedeutet, erläuterte Smith mit keiner Silbe. Auch eine Erklärung dafür, warum Fox überhaupt zur besten Sendezeit der gesamten Nation zeigt, wie ein namenloser roter Dodge mit einem namenlosen Kleinkriminellen mit 170 Stundenkilometern durch die Ödnis von Arizona brettert, blieb aus.

Fernsehkritiker von New York Times und weiteren Medien betonten, dass andere große Networks wie CNN oder NBC „keine einzige Sekunde“ über die Verfolgungsjagd berichtet hatten; mangels Nachrichtenwert. Fox, heißt es in mehreren Blogs, kenne in punkto Sensationsgier/Quote/Profit "einfach keine ethischen Grenzen".

Tödliche Langeweile im US-Fernsehen

Die wurden im Genre Verfolgungsjagd vor fast 20 Jahren zum ersten Mal überschritten. Am 17. Juni 1994 steuerte der ehemalige Football-Star O.J. Simpson seinen weißen Bronco stundenlang über einen Highway in Süd-Kalifornien, und die ganze Nation sah zu. Polizeiwagen verfolgten den Wagen auf der Straße, Helikopter kreisten in der Luft, Fans standen am Straßenrand und feuerten den Mann an, der unter dem Verdacht stand, kurz zuvor seine Ex-Frau und ihren Freund ermordet zu haben. Simpson kam vor Gericht. Monatelang tauchte das Video in allen möglichen TV-Sendungen auf; auch in solchen, in denen über die Grenzen der Berichterstattungspflicht der Medien debattiert wurde.

Auch diesmal hatte der Aussetzer von Fox enorme Nachwirkungen. Internet-Dienste wie „BuzzFeed“ und „Gawker“, die sich sonst streng der Aufklärung verpflichtet fühlen und Fox News gern in die Mangel nehmen, verwiesen umgehend auf das Video - "aus Informationspflicht". Nie war Langeweile im amerikanischen Fernsehen tödlicher. Und verlogener.