Düsseldorf. . Das geplante totale Rauchverbot für die Gastronomie in NRW sorgt für Streit an vielen Fronten. Bei einer Anhörung im NRW-Landtag warnten am Mittwoch Vertreter von Karnevals- und Schützenvereinen vor einem Besucherschwund bei Veranstaltungen. NRW-Gesundheitsministerin bringt Volksentscheid ins Gespräch.
Im „Glaubenskrieg“ um ein striktes Rauchverbot in NRW bleiben die Fronten verhärtet. Schützenvereine und Karnevalsgesellschaften fürchten das „Aus für das Brauchtum“. Ärzte und Gesundheitsverbände lehnten dagegen in einer Landtagsanhörung am Mittwoch in Düsseldorf Ausnahmen vom Rauchverbot strikt ab.
In der Anhörung warnte der ehemalige Verfassungsrichter Jürgen Brand vor Ausnahmen von den geplanten Regelungen. Ein Gesetz mit Ausnahmen würde im Laufe der Zeit „immer mehr durchlöchert“. Brand hält den Entwurf für verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Entwurf sieht ein totales Rauchverbot in der gesamten Gastronomie vor.
Schützenbrüder gegen schärferes Rauchverbot
Die 1,2 Millionen Schützenbrüder in NRW stehen auf den Zinnen. Der rot-grüne Entwurf des neuen Nichtraucherschutzgesetzes sieht ein totales Rauchverbot in Kneipen und Festzelten vor. „Dann gehen Schützenfeste reihenweise den Bach runter“, warnt Schützen-Präsident Klaus Stallmann. Kein Ehrenamtlicher wolle persönlich haften für Bußgelder von 2500 Euro, wenn trotz Verbots geraucht wird. Zudem droht Ärger mit Anwohnern, wenn Raucher vor der Tür qualmen und quatschen.
Die Karnevalsvereine erwarten einen Besucherschwund, wenn die NRW-Landesregierung keine Ausnahmen vom Rauchverbot in der Gastronomie zulässt. „Dann kann man gleich dicht machen“, glaubt Rolf Peter Hohn vom Bund Deutscher Karneval. Erst höhere Gema-Gebühren, dann teure Brandschutzauflagen. Und nun das drohende Rauchverbot. „Kleine Vereine können sich das nicht leisten.“
Während Brauchtumsvereine weiter auf Ausnahmen vom Rauchverbot für geschlossene Veranstaltungen und private Feiern hoffen, sieht es für die kleine Eckkneipe nicht gut aus. Klaus Hübenthal vom NRW- Gaststättenverband Dehoga erwartet ein beschleunigtes Kneipensterben. Jede fünfte der 9200 Kneipen in NRW sei gefährdet, wenn der Umsatz nach einem Rauchverbot wie in Bayern um 20 Prozent sinkt.
Ärzte drängen auf schärferes Rauchverbot
Ärzte und Gesundheitsverbände drängen aber auf eine ausnahmslos „kippenfreie“ Kneipenlandschaft. Heute sind 25 Prozent der Bürger dem Passivrauch ausgesetzt, rechnet Kurt Rasche von den NRW-Ärztekammern vor. Dass auch Kinder in Festzelten und im Karneval dem dicken Qualm hilflos ausgesetzt sind, hält die Anti-Qualm-Lobby für nicht länger hinnehmbar. Schützen-Präsident Stallmann lenkt ein. Künftig sollen Kinder besser vor Qualmschwaden geschützt werden.
In der Expertenanhörung bombardieren sich beide Lager mit Statistiken. Einmal befürworten 75 Prozent ein striktes Rauchverbot, dann sind bei der Gegenseite 72 Prozent der Bürger für die persönliche Entscheidungsfreiheit. Vom „Statistik-Mikado“ ist die Rede.
Joseph Kuhn vom bayerischen Gesundheitsministerium verweist derweil auf gute Erfahrungen mit dem strikten Rauchverbot. Die Belastung durch Passivrauch ist rückläufig. Aber Bayern hat ein Schlupfloch geöffnet: Bei geschlossenen, privaten Familienfeiern und Festen mit persönlicher Einladung greift das totale Rauchverbot nicht.
NRW-Gesundheitsministerin Steffens würde Volksentscheid akzeptieren
Der Brauereiverband NRW drängt darauf, beim Nichtraucherschutz „die Kirche im Dorf zu lassen und Wahlfreiheit“ zu geben. Stephan Keller, Ordnungsamtsleiter in Düsseldorf, hält die Behörden aber schlicht für überfordert, ein Rauchverbot mit Ausnahmen in Kneipen zu kontrollieren. Dass Rot-Grün auch ein striktes Rauchverbot auf Kinderspielplätzen plant, verschärft das Vollzugsproblem. Grundsätzlich aber halten die Kommunen einen umfassenden Nichtraucherschutz für richtig.
Der Gesetzentwurf von Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) sieht ein totales Rauchverbot in der Gastronomie vor. Das lehnen CDU, FDP, Piraten und Teile der SPD ab. Rot-Grün sucht weiter nach einer rechtssicheren Lösung. Die Gesundheitsministerin hält unterdessen auch einen Volksentscheid in Sachen Rauchverbot für akzeptabel. Allerdings erwartet Steffens laut Umfragen „deutlichste Mehrheiten“ für einen strikten Nichtraucherschutz in NRW, sagte sie am Mittwoch im NRW-Landtag. In einem Antrag für den SPD-Landesparteitag fordert der Unterbezirk Hochsauerland einen Volksentscheid. Für ein Volksbegehren zur Einleitung des Volksentscheids müssten aber eine Million Unterschriften in NRW gesammelt werden.