Essen. . Machterhalt und Wohltaten für das eigene Klientel beherrscht die Politik der Berliner schwarz-gelben Koalition – und mag sie noch so unvernünftig sein. Das belegt die Diskussion um Betreuungsgeld und Frauenquote. Glücklicherweise bleiben die Kritiker in eigenen Reihen unermüdlich am Ball. Eine Analyse.
Es geht um Frauenförderung, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, es geht um den gesellschaftlichen Wandel und, nicht zuletzt, geht es schlicht um Logik: Eine Gruppe von Unions- und FDP-Repräsentanten hat klar vor Augen, welche Politik nötig ist, wenn sie den Bedürfnissen der Familien, der Wirtschaft und Gesellschaft Rechnung tragen soll.
In ihren Parteien stehen sie mit ihrem klaren Blick allerdings alleine da: Das Gerangel um das Betreuungsgeld und die Frauenquote belegen: Mehr denn je geht es den Berliner Regierungsparteien ums Klientel und um den persönlichen Machterhalt.
Kuhhandel um das Betreuungsgeld
Beispiel Betreuungsgeld: Zunächst gibt sich die FDP prinzipientreu und legt am Montag ein Veto ein, das den von CDU und CSU mühsam ausgehandelten Kompromiss schlichtweg sprengt. Am Dienstag wird klar: Mit den Prinzipien der Truppe um Philipp Rösler ist es nicht weit her. Gefragt ist ein Kuhhandel: Gibst du mir die Abschaffung der Praxisgebühr oder senkst du den Solidaritätszuschlag oder stellst du Homo-Ehen steuerlich gleich (oder tust du sonst irgendetwas für die Anhänger der Liberalen), gebe ich dir dein Betreuungsgeld, so kontraproduktiv und teuer ich es auch finde.
Fortgeführt wird diese von persönlichen Interessen getriebene Politik, die selbst die klassischen Wählerschichten der Liberalen abschreckt, mit der Frauenquote. Nicht dran rühren, egal, was kommt, lautet das Motto der Männerpartei, die große Schwierigkeiten hat, Frauen für ihre Politik zu begeistern – sei es als Mitstreiterinnen, sei es als Wählerinnen.
Die große Angst vor der Wirtschaft
Worum es bei der Quote geht, das scheinen viele gar nicht richtig begriffen zu haben. Was der Bundesrat vorschlägt – auch mit Zustimmung einiger unionsregierter Länder – ist äußerst maßvoll: Bis 2023 sollen Aufsichts- und Verwaltungsräte zu 40 Prozent mit Frauen besetzt sein. Managementposten in Vorständen und Geschäftsführungen blieben unberührt. Selbst Hans Olaf Henkel, der frühere Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und heute Autor und Dauer-Talkshowgast, empfiehlt, Frauen in die Aufsichtsräte zu holen.
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Offenbar kann mit dem Bundesratsvorschlag sogar die Unternehmerseite leben, nur haben es die politischen Verantwortlichen mit ihren Scheuklappen noch nicht gemerkt. Aus Angst, es sich mit der Wirtschaft zu verscherzen, beharren sie auf ihrem Nein. Dabei hätten sie die Debatte um die Frauenförderung erst mal vom Hals, wenn sie sich zu dieser Schmalspur-Quote durchringen könnten – und die rebellischen Frauen in den eigenen Reihen wären wohl auch erst mal zufrieden.
Die unbequemen Frauen dürfen weiter bohren
Nun haben des die Vorsitzende der Gruppe der Frauen der Union, Rita Pawelski, die saarländische CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer oder die Vorsitzende der Liberalen Frauen, Doris Buchholz, allen Grund, weiter zu bohren und die Quote zu fordern.
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Ähnlich verlaufen die Fronten beim Betreuungsgeld. Dass mit dem Taschengeld für Mütter von Kleinkindern, die zu Hause bleiben, keineswegs die benachteiligten Kinder gefördert werden, sondern die ohnehin mit dem Ehegattensplitting subventionierten Einverdienerfamilien der Mittelschicht – das zweifelt niemand ernsthaft an. Aber diesen traditionellen Familien, von denen viele zu den Unionswählern gezählt werden, soll eben ein weiteres Geschenk gemacht werden. Weil das Betreuungsgeld seit Jahren gegen jede noch so sinnvolle Kritik von den Entscheidungsträgern der Union verteidigt wird, wäre es durchaus ein Gesichtsverlust, letztlich darauf zu verzichten.
Die Kritiker mögen schweigen
Horst Seehofer etwa, bayrischer Ministerpräsident und CSU-Chef, scheint derzeit keine anderen Sorgen zu haben als beim Wettlauf um seine Wiederwahl im kommenden Jahr – es will die absolute Mehrheit – die Kritiker in den eigenen Reihen zur Ruhe zu mahnen. So sparte er bei der Landtagsdebatte in München am Dienstagabend nicht mit Emotionen, sprach von Wahlfreiheit bei der Art der Kindererziehung und rief schließlich in den Saal: „Trauen wir das den Eltern nicht mehr zu?“
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Die Kritiker mögen schweigen, so Seehofer, der auf dem Weg zur Alleinherrschaft in Bayern in Berlin einen Koalitionsbruch mit der FDP in Kauf nehmen würde. Aber, wie gesagt, so schnell wird er die FDP nicht los. Die kleine Partei, die wieder unter fünf Prozent in den jüngsten Umfragen liegt, ist geschmeidig, so viel wie sie zu verlieren hat, wenn sie aus der Regierung fliegt.
In den eigenen Reihen hat es die Union schwerer als mit der FDP
Mit den Liberalen wird die Union also wohl fertig, irgendein Zucker lässt sich finden. Mit den eigenen Reihen hat es die Union schwerer: Immer wieder müssen der CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe und Unionsfraktionschef Kauder die Rebellen zur Ordnung rufen. Schotten dicht, so ihr Motto. Doch wer atmen will, muss auch mal die Fenster aufreißen.
Das ist wahrlich besser, als an der eigenen Geschlossenheit zu ersticken.