Berlin. Für den sozialen Aufstieg sozial schwacher Familien sind bessere Betreuungsangebote für Kinder und Jugendliche nötig. Das ist das Ergebnis einer neuen Langzeitstudie der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Vor diesem Hintergrund warnt Awo-Bundeschef Wolfgang Stadler vor der Einführung des geplanten Betreuungsgelds.

Das geplante Betreuungsgeld könnte die Entwicklung von Kindern aus armen Familien gefährden. Diesen Standpunkt vertritt der Bundesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (Awo), Wolfgang Stadler. Er beruft sich dabei auf eine am Dienstag in Berlin vorgestellte Langzeitstudie der Awo. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass sich besonders Familien aus der Armutsfalle befreien könnten, die Zugang zu Einrichtungen wie Kitas, Jugendzentren und Familienberatungen haben. Bessere Betreuungsangebote könnten also zum sozialen Aufstieg verhelfen. Forscher begleiteten für diese Untersuchung 900 Kinder über einen Zeitraum von zehn Jahren, vom Vorschulalter an.

Betreuungsgeld bremst Förderung aus

Würde das Betreuungsgeld realisiert, kämen die Kinder nicht mit den Institutionen in Kontakt und die für das Betreuungsgeld verwendeten Mittel fehlten bei der Förderung der Einrichtungen. „Starke Institutionen können Kindern das bieten, was sie zu Hause eventuell nicht bekommen“, sagte Stadler. „Das Betreuungsgeld ist die am wenigsten geeignete Form, um die von uns geforderten Maßnahmen zu ergreifen.“

Armut, so die Studie, bleibe die größte Gefahr für die Entwicklung von Kindern. Doch der Grundsatz „Einmal arm, immer arm“ besitze nicht mehr unbedingte Gültigkeit. Laut den Ergebnissen der Forscher des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, die mit der Durchführung der Untersuchung beauftragt waren, könnten Familien leichter der Armut entgehen, wenn sie Betreuungs- und Beratungsangebote nutzen.

Dies gelang 43 Prozent der zuvor als arm eingestuften Teilnehmer. Bei den restlichen 57 Prozent verfestigte sich hingegen die Armut – mit komplexen Auswirkungen auf das Leben der Jugendlichen, besonders bei der Wohnsituation, bei Kleidung, Ernährung und dem Zugang zu modernen Medien wie dem Internet. Zudem wirke sich eine schlechte wirtschaftliche Situation der Familie negativ auf die Bildungschancen eines Jugendlichen aus.

Ein dichtes Hilfenetz greift besser

„Um Armut zu verhindern, müssen Eltern über sichere Arbeit mit armutsfesten Löhnen und über Betreuungs- und Bildungsangebote für ihre Kinder verfügen, damit diese ganztätig qualitativ gut versorgt werden“, sagte der Awo-Chef. Das Netz von Institutionen, die Familien, Kindern und Jugendlichen beratend und unterstützend zur Seite steht, müsse so dicht sein, dass jede Familie, die Hilfe benötigt, diese auch bekomme, sagte Stadler. Bessere Betreuungsangebote für Kinder und Jugendliche können armen Familien zum sozialen Aufstieg verhelfen.