Berlin. Mutmaßlicher NSU-Unterstützer und V-Mann der Berliner Polizei soll fünf Hinweise zu Aufenthalt des Zwickauer Terror-Trios geliefert haben. Diese wurden aber offenbar nicht an die entscheidenden Ermittlungsbehörden weitergeleitet.

Die Pannenserie im Zusammenhang mit der Zwickauer Terrorzelle NSU reißt nicht ab. Übereinstimmenden Medienberichten vom Wochenende zufolge soll ein mutmaßlicher NSU-Unterstützer, dessen Kooperation mit der Berliner Polizei vergangene Woche bekanntwurde, mehrfach Hinweise zum Aufenthaltsort des Terror-Trios gemacht haben. Sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) waren über die Kooperation aber offenbar nicht im Bilde. Die schwarz-gelbe Regierung streitet unterdessen über die Abschaffung des Militärischen Abschirmdienstes (MAD).

Mehr als ein Jahrzehnt im Dienst des Berliner LKA

Wie am Donnerstag bekanntwurde, war der mutmaßliche NSU-Unterstützer Thomas S. mehr als ein Jahrzehnt Informant des Berliner Landeskriminalamts. Nach übereinstimmenden Berichten der "Welt am Sonntag" und des "Spiegel" soll der V-Mann dem LKA zwischen 2002 und 2005 fünf Hinweise auf das 1998 untergetauchte Neonazi-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt, Beate Zschäpe und dessen Umfeld geliefert haben. Wie die Berliner Sicherheitsbehörde mit den Informationen umging, ist derzeit noch unklar. Obwohl bereits im Januar dieses Jahres ein Ermittlungsverfahren gegen S. eingeleitet wurde, beichtete das Berliner LKA der Karlsruher Bundesanwaltschaft die Kooperation nach Darstellung des "Spiegel" erst Anfang März.

Nach Angaben der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" war das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht über S.' Rolle als Informant des Berliner LKA informiert. Wie die Zeitung weiter berichtet, unterzog der Verfassungsschutz den mutmaßlichen NSU-Unterstützer in den Jahren 2008 und 2009 sogar einer Sicherheitsüberprüfung, bei der keine Gründe gegen eine sicherheitsrelevante Beschäftigung festgestellt wurden. S. habe glaubhaft machen können, dass er sich von der rechtsextremistischen Szene gelöst habe.

Friedrich nicht über Kooperation informiert

Auch Bundesinnenminister Friedrich war über die Zusammenarbeit zwischen S. und der Berliner Polizei nicht informiert. Friedrich habe erstmals am 13. September mit der Sitzung des Untersuchungsausschusses davon erfahren, sagte ein Sprecher. Als Konsequenz forderte das Ministerium eine bessere Information aller Behörden. "Es muss klar sein, dass alle Verfassungsschutzbehörden zusammenarbeiten müssen", betonte der Sprecher.

Bereits Anfang vergangener Woche war bekanntgeworden, dass der MAD 1995 versucht haben soll, den späteren NSU-Terroristen Mundlos als Informanten abzuwerben. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erneuerte daraufhin ihre Forderung nach einer Abschaffung des MAD. "Die überfällige Konzentration wird durch eine Zusammenlegung kleiner Verfassungsschutzämter und der Auflösung des MAD, dessen Befugnisse auf die bestehenden Dienste übertragen werden sollen, erreicht", sagte sie der "Welt am Sonntag".

Scharfe Widerworte erntete sie dafür von Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). "Was ich aber gar nicht mag, sind öffentliche Ratschläge von Kabinettskolleginnen, die nicht zuständig sind", sagte de Maizière der "Frankfurter Rundschau". Er halte den MAD nach wie vor für wichtig - etwa für die spezielle militärische Spionageabwehr und den Schutz deutscher Truppen im Ausland. Der Abschirmdienst werde umstrukturiert und deutlich verkleinert. Darüber berate eine Regierungskommission. Auch die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses würden beachtet.

Rückendeckung erhielt Leutheusser-Schnarrenberger dagegen von ihrem Parteichef Philipp Rösler. "Die FDP hält den MAD für überholt und eine Abschaffung deshalb für folgerichtig. Hier hat Sabine Leutheusser-Schnarrenberger genau das Richtige gefordert", sagte Rösler. Es gebe keinen Grund, Vorschläge beiseitezulegen.

Auch Thüringer Innenminister für Abschaffung des MAD

Mit dem thüringischen Innenminister Jörg Geibert signalisierte am Samstag auch ein CDU-Politiker Unterstützung für die Forderung nach einer Abschaffung des MAD. Da es nicht mehr die hohe Zahl der Wehrdienstleistenden gebe, sei dessen "Existenzberechtigung sehr zweifelhaft", sagte er im thüringischen Uder. Es müsse darüber nachgedacht werden, ob der MAD noch erforderlich sei.

Grünen-Chefin Claudia Roth warf de Maizière vor, "das Versagen der Behörden und seines Hauses schön zu reden". Auch sie forderte die Abschaffung des Militär-Geheimdienstes, "denn er hat seine Funktion nach dem Kalten Krieg und dem Ende der Wehrpflicht verloren". Zugleich verlangte die Grünen-Politikerin, "die Aufgaben und Aktionen" des Verfassungsschutzes zu überprüfen. Auch müssten die parlamentarischen Kontrollgremien ausgebaut und gestärkt werden.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warf den Sicherheitsbehörden "Totalversagen" vor. Dies verlange "rückhaltlose Aufklärung und eine Reform aller Dienste in diesem Land". Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) forderte eine Auflösung des Verfassungsschutzes und dessen Umgestaltung zu einer kompetenten Politikberatung. (dapd)