Essen. Bettina Wulff will Google verbieten, dass die Suchmaschine jedem, der ihren Namen eintippt, Begriffe wie “Escort“ oder “Prostitution“ vorschlägt. Technisch wäre diese Korrektur für Google kein Problem, doch Juristen warnen: Das wäre Zensur. Eines bekommt Bettina Wulff gewiss: Aufmerksamkeit.

Sie will das nicht mehr. Will nicht, dass das Wort „Escort“ erscheint, wenn jemand ihren Namen eintippt in die Suchmaske von Google. Oder der Begriff „Prostituierte“. Deshalb hat Bettina Wulff die Internet-Suchmaschine verklagt. Erreicht hat sie damit bisher nichts. Außer viel Aufmerksamkeit.

Um das zu verstehen, muss man verstehen, wie die Suchmaschine von Google funktioniert. Jedenfalls so gut es geht. Wenn man dort etwas sucht, dann gibt es dort seit 2009 eine Funktion, die sich „Autocomplete“ nennt, also „automatisches Vervollständigen“. Anders gesagt: Google versucht vorauszuahnen, was der Nutzer sucht. Dazu schlägt es automatisch beliebte Begriffe vor, während man ins Suchfeld schreibt. Möglich ist das, weil der Konzern nicht nur akribisch auswertet, was seine Nutzer suchen, sondern auch, welche Wortkombinationen sie dabei benutzen.

Zu Angela Merkel schlägt Google "Gehalt" vor, zu Prinz Harry "Las Vegas"

„Die bei der Google-Autovervollständigung sichtbaren Suchbegriffe spiegeln die tatsächlichen Suchbegriffe aller Nutzer wider“, erklärt Google-Sprecher Kay Overbeck . Die Suchfunktion offenbart demnach, woran die Nutzer interessiert sind. Die meisten, die etwa Angela Merkel eintippen, wollen etwas über ihr Gehalt wissen. Bei der Suche nach Prinz Harry leuchtet schnell „Las Vegas“ als Zusatz auf, wo seine Majestät es jüngst ordentlich krachen ließ. Und bei Fußballer Philipp Lahm ist es offenbar nicht die sportliche Leistung, die interessiert, sondern seine sexuelle Orientierung. Wird der Name eingegeben, kommt der Zusatzvorschlag „schwul“.

Bei Google ist man sich keiner Schuld bewusst. Schließlich hat man selbst keines der schon länger kursierender Gerüchte in die Welt gesetzt. Und aktiv verbreitet habe man sie nach Googles Auffassung auch nicht. Die Begriffe seien „das algorithmisch erzeugte Resultat mehrerer objektiver Faktoren“, sagt Overbeck gerne etwas verschlüsselt. Soll heißen: Kann man nichts machen. Kann man wohl.

Technisch wäre eine Korrektur für Google kein Problem

Natürlich lassen sich die Seiten, die sich mit Frau Wulffs Vergangenheit beschäftigen, von Google weder sperren noch aus dem Netz nehmen. Aber der Konzern könnte es schwieriger machen, sie zu finden, indem er sie auf der Ergebnisliste nach hinten schiebt. Denn längst ist bekannt, dass Google Einfluss auf die Ergebnisse der Suchanfragen nehmen kann. So landen, etwa bei der Suche nach einem Übersetzungsprogramm, stets Dienste aus dem eigenen Haus auf den vorderen Plätzen der Ergebnisliste.

Auch bei den Vorschlägen zur automatischen Vervollständigung ist Google nicht so objektiv, wie der Konzern gerne behauptet. Um etwa Ärger mit der Unterhaltungsindustrie aus dem Weg zu gehen, werden – ohne dass Google das je konkret bestätigt hätte – seit Anfang 2011 bei Eingabe eines Film- oder CD-Titels keine Begriffe wie Bittorrent oder RapidShare mehr ergänzt, wo sich so etwas illegal herunterladen lässt. Auch Zusätze wie „Crack“ oder „Serial“ gibt es nicht mehr.

Juristen nennen Bettina Wulffs Anliegen "Zensur"

Technisch ist die Sache also wohl kein Problem. Juristisch ist sie es schon. Dementsprechend uneins sind Experten darüber, ob es Sinn macht, gegen die Suchmaschine vor Gericht zu ziehen. Der Alsdorfer Medienanwalt Jens Ferner etwa verweist auf ein Urteil des Oberlandesgerichtes München, das in einem ähnlichen Fall keinen Anspruch auf Unterlassung sah.

Auch für den Kölner Medienrechtler Rolf Schwartmann ist der Ausgang des Verfahrens „ungewiss“. Im Übrigen, gibt er zu bedenken, wäre dieses Löschen ein ganz massiver Eingriff in die Informationsfreiheit . „Das ist ja eine Form von – wenn man so will – Zensur“, sagt er im Deutschlandfunk.

Macht Google durch die Auto-Vervollständigung erst auf mögliche Suchbegriffe aufmerksam?

Drama um Christian WulffDie Google-Vorschläge sind aus meiner Sicht mehr als bloße Links, sie sind schlagwortartig zusammengefasste Fremdinhalte“, kontert dagegen der Berliner Rechtsanwalt Thorsten Feldmann. Durch die Autovervollständigung würden viele Nutzer überhaupt erst auf die mögliche Suche aufmerksam.

Google selbst sieht sich gut gerüstet, spricht von bisher fünf ähnlichen Verfahren in Deutschland, von denen man keines verloren habe. Anders als im europäischen Ausland und in Asien, wo es sowohl Siege als auch Niederlagen vor Gericht gab.

Auch Streisand wehrte sich - ohne Erfolg

Unabhängig von den Erfolgsaussichten vor Gericht, greift im Fall Wulff schon jetzt der so genannte „Barbra-Streisand-Effekt“, die sich einst gegen die Veröffentlichung des Bildes ihres Hauses wehrte und dadurch dafür sorgte, dass es jeder sehen wollte. Da sucht man Bettwäsche bei Google oder einfach nur ein Berliner Hotel. Aber kaum hat man das „B“ eingetippt, taucht der Name Bettina Wulff mit den bekannten Zusätzen auf. Oft aber auch mit dem Hinweis, dass die Dame gerade ein Buch veröffentlicht hat. Dagegen hat sich Frau Wulff übrigens noch nicht gewehrt.