Wenn man über die Straße geht und mittendrin spürt, dass es eng wird, ist es meist besser, nicht umzukehren. Dieser Erfahrung folgt Ursula von der Leyen in dem Konflikt um die Rente. Sie ist gut beraten, nicht einzulenken. Sie hätte es bloß nicht so weit kommen lassen dürfen. Es war ein Fehler, die Zuschussrente und die Altersarmut zu thematisieren, obwohl sie wusste, dass sie mit ihrer Fraktion zusammenstoßen würde. Für Korrekturen braucht man Verbündete, auch Zeit. Sie hätte es im ersten Jahr, nicht im letzten Jahr der Koalition anpacken sollen. Auch hätte sie auf die Wahl der Mittel achten müssen. Sie bedient aus taktischen Gründen eine Stimmung, die Urangst, im Alter mit leeren Händen dazustehen.
Es ist clever, auf de SPD zu setzen. So verfuhr von der Leyen schon 2007, als sie für den Kita-Ausbau kämpfte. Da waren die Sozialdemokraten wie ein Rammbock gegen den rechten Flügel der Union. Die Unterschiede sind aber signifikant. Damals setzte sie die SPD unter Druck. Diesmal handelt sie aus der Bedrängnis heraus und begibt sich in die Hände der Sozialdemokraten. Damals war die Fachwelt auf ihrer Seite, diesmal ist die Gefechtslage nicht so eindeutig. Damals verhielt sich die Kanzlerin abwartend. Heute gehört Merkel zur Ablehnungsfront der Union.
Die Frage ist, wie sich die SPD verhalten wird. Im Normalfall müsste man die Ministerin auflaufen lassen, jetzt, ein Jahr vor der Wahl. Doch auch die Sozialdemokraten sind mit sich nicht im Reinen, wenn sie heute ihr Rentenkonzept vorlegen. Es gibt Punkte, die in eigenen Reihen für Kritik sorgen: Das Festhalten an der Rente mit 67 und am Absinken des Rentenniveaus. Davon würde ein Konsens auf eine Mindestrente ablenken. Legt man die aktuellen Umfragen zu Grunde, ist eine große Koalition die realistischste Perspektive 2013. So gesehen, würde ein Konsens in die richtige Richtung weisen. Solche Signale setzen allerdings eine Strategie und Merkel Mitwissen voraus. Die Antwort ist vermutlich viel banaler: Ursula von der Leyen hat sich verrannt.