Berlin. . Die noch in Deutschland gelagerten US-Atomwaffen werden ungeachtet der Bemühungen von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) offenbar vorerst nicht abgezogen. Mit Einverständnis der Bundesregierung werden sie sogar modernisiert. Damit ist eines der wichtigsten außenpolitischen Ziele der Regierung vorerst gescheitert. Die Opposition kritisiert: Damit rückt der Abzzug der Waffen in weite Ferne.

Die Bundesregierung ist mit einer wichtigen außenpolitischen Initiative gescheitert: Ihr Ziel, die USA zum Abzug der letzten in Deutschland verbliebenen Atomwaffen zu bewegen, wird in absehbarer Zeit nicht erreicht – stattdessen werden die Bomben mit Einverständnis der Bundesregierung sogar noch modernisiert.

Das Außen- und das Verteidigungsministerium in Berlin bestätigten gestern amerikanische Pläne für ein Programm zur „Lebensdauerverlängerung“ der US-Nuklearwaffen auch in Europa. Das Einverständnis haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido Westerwelle offenbar bereits beim letzten Nato-Gipfel gegeben.

Tornados müssen länger fliegen

Zwar bekennt sich die Nato auch zum Ziel einer weiteren Abrüstung, wie die Bundesregierung gestern betonte – doch sollen alle Komponenten der nuklearen Abschreckung erhalten bleiben. Die Bundesregierung wird deshalb auch dafür sorgen, dass die Tornado-Kampfflugzeuge, die für den Abwurf der in Deutschland lagernden Atombomben benötigt würden, mit Millioneninvestitionen länger im Einsatz bleiben.

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Von Christopher Onkelbach

Das ist eine Kehrtwende für die Regierung, im Verborgenen betrieben. Und es ist eine Niederlage vor allem für Außenminister Westerwelle. Der FDP-Politiker hatte sich die Abrüstung als Prestigeprojekt auf die Fahnen geschrieben, das Ziel im schwarz-gelben Koalitionsvertrag festschreiben lassen: Bei den Atomwaffen in Deutschland handele sich um Relikte des Kalten Krieges, die bloß noch europäische Partner treffen könnten.

Noch 20 Atomwaffen werden in Deutschland gelagert 

In Deutschland geht es noch um etwa 20 Atombomben, die im Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz lagern. Das in dem Eifelort stationierte Jagdbombergeschwader 33 der Bundeswehr würde die Bomben auf US-Befehl mit Tornado-Flugzeugen abwerfen. Die Bomben vom Typ B61 haben eine Sprengkraft von bis zu 170 Kilotonnen – 13mal so viel wie die Bombe, die 1945 auf Hiroshima fiel.

Das Depot ist dennoch klein, gemessen an den Arsenalen von mehreren tausend Bomben, die während des Kalten Krieges allein in Deutschland lagerten. Bis Mitte des vergangenen Jahrzehnts deponierten die USA noch auf der Air-Force-Base Ramstein etwa 130 Atomsprengköpfe, sie wurden ebenso abgezogen wie die Atomwaffen in Nörvenich bei Köln und im bayerischen Memmingen. Das in der Eifel verbliebene Arsenal hat weniger militärischen als politisch-psychologischen Sinn: Es ist auch nach offizieller Lesart das Symbol, dass die Nato ihre Nuklearpolitik gemeinsam verantwortet.

„Die Waffen müssen weg“

Doch die Kritik wurde immer lauter geworden: „Wenn es keine militärische Begründung mehr gibt, kann es nur heißen: Die Waffen müssen weg“, sagt etwa der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger. Westerwelle hatte im Bundestag für seine Initiative deshalb die Unterstützung von Koalition und Opposition – doch in den USA war er von Anfang auf Widerstand gestoßen. Nun will die US-Regierung im Licht stockender Abrüstungsgespräche mit Russland bis 2023 für rund vier Milliarden Dollar ihr Atom-Arsenal modernisieren.

Dass die Bundesregierung dem trotz ihrer Abrüstungsbekenntnisse zustimmt, macht die Opposition besorgt: Die Modernisierung - die Abwurfbomben hebe die strikte Trennung von taktischen und strategischen Waffen auf, meint der SPD-Außenpolitiker Gernot Erler. Die Grünen sprechen von einem „schwarz-gelben Abrüstungsfiasko“, das die Stationierung von Atomwaffen zementiere. Die Bundesregierung versicherte gleichwohl, an den Abrüstungsplänen festzuhalten. Es handele sich aber um das „geduldige Bohren ganz dicker Bretter.“

Unterschied zwischen taktischen und strategischen Waffen 

150 bis 240 US-Atomwaffen lagern noch in Europa: In den Niederlanden, in Belgien, Italien und der Türkei. Und eben in Büchel in der Eifel. Die Bomben vom Typ B 61 gelten als taktische Kernwaffen, gedacht zum Einsatz gegen militärische Ziele auf dem Schlachtfeld – im Gegensatz zu strategischen Atombomben, die ganze Landstriche ausradieren sollen. Dennoch könnte selbst das in Deutschland gelagerte Bombenarsenal nach Expertenschätzungen ausreichen, große Teile von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zu verwüsten.

Gelagert werden die Bomben auf Flugplätzen in geschützten unterirdischen Magazinen. Für die Wartung sind US-Spezialisten zuständig. Im Fliegerhorst Büchel ist Platz für 44 Bomben, gelagert werden nach Schätzungen bis zu 20 – die genauen Zahlen sind geheim.

US-Präsident muss Freigabe befehlen

Das in Büchel stationierte Jagdbombengeschwader der Bundeswehr würde die Bomben im Ernstfall mit Tornado-Flugzeugen ans Ziel bringen. Der Nachfolger des Tornados, der Eurofighter, ist für eine atomare Bewaffnung nicht ausgelegt – die längere Stationierung der Atomwaffen bedeutet deshalb, dass die Bundeswehr Teile der betagten Tornado-Flotte länger im Dienst lassen muss. Eingesetzt werden die Bomben nur, wenn der US-Präsident sie freigegeben hat. Die USA behalten sich auch das Recht vor, ihre in Europa eingelagerten Waffen zur Unterstützung des für den Nahen und Mittleren Osten zuständigen Oberkommandos einzuplanen.

Zu den US-Waffen kommen noch 330 atomare Sprengköpfe in Frankreich und 225 in Großbritannien. Gegen die Bewaffnung Russlands ist das aber wenig: Allein die Zahl der taktischen Atomwaffen Russlands wird auf 3000 geschätzt.