Berlin. . Seit Abschaffung der Wehrpflicht und des Leitbildes vom Bürger in Uniform nehmen die Bürger die Truppe nur noch mit „freundlichem Desinteresse“ wahr - die Soldaten drohen an den Rand der Gesellschaft zu rutscvhen. Das soll nicht sein, deshalb fordert Verteidigungsminister de Maizière mehr Einmischung in die Belange der Bundeswehr.

Zwei, drei Reden hat Thomas de Maizière vor Universitäten gehalten. Der Verteidigungsminister lud sich meist dazu selbst ein. Er spricht an diesem Tag vor der Bundesakademie in Berlin offen darüber, weil es das Problem auf den Punkt bringt. Die Bundeswehr stößt oft auf das „freundliche Desinteresse“ der Gesellschaft, und damit will sich der Minister nicht abfinden.

Diese Formel des früheren Bundespräsidenten Horst Köhler hat bis heute Gültigkeit. De Maizière hat es im Frühjahr erneut erfahren, als er eine Debatte über Veteranen anstoßen wollte. Von den „üblichen Beteiligten“ abgesehen, meldeten sich nur wenige Akteure zu Wort. „Sollen wir uns nun etwa selber wertschätzen?“, fragt de Maizière pikiert.

Sorge vor einem Eigenleben der Armee

Ihm reicht es nicht mehr, dass oft von der „Parlamentsarmee“ die Rede ist. „Das ist gut und schön“, aber die Bundeswehr wolle vom ganzen Land, von der Gesellschaft geschätzt werden. Einmischung ist erwünscht, von den Gewerkschaften, von den Kirchen, von der Wissenschaft, die sich zu anderen Fragen doch auch regelmäßig äußern.

Seit die Wehrpflicht abgeschafft ist, seit man die Sicherheit Berufssoldaten und Freiwilligen anvertraut, seit der Bürger in Uniform nicht länger das Leitbild sein kann, sucht die Bundeswehr quasi den Anschluss an die Gesellschaft. Wenn das nicht gelingt, droht ihr eine „randständige Rolle“ – oder die Armee entwickle ein „Eigenleben“, meint Michael Sommer. Der DGB-Chef war zur Tagung der Sicherheitsakademie genauso eingeladen wie der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel, Professor Horst Hippler von der Hochschulrektorenkonferenz oder der Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Alois Glück. Glück mahnte ein Verständnis für andere Kulturen und Religionen an, Keitel sprach über Ausrüstungsfragen und Hippler über Studienangebote der Unis. DGB-Chef Sommer kritisierte das Urteil zum Einsatz der Bundeswehr im Inland, das Trennlinien aufweiche. Sommer: „Aus gewerkschaftlicher Sicht ein falscher Weg.“

Widerspruch ist erwünscht

Mehr Diskussion, Kritik, Widerspruch wünscht sich de Maizière nicht nur wegen der Aufmerksamkeit. Dafür sprechen auch operative Gründe. Das Militär kann nicht allein für Sicherheit sorgen. Wirtschaftsinitiativen und die Kooperation mit zivilen Organisationen gewännen mehr an Bedeutung. De Maizière will aus der Gesellschaft Antworten auf folgende Fragen: Was geht im Einsatz vor: der Schutz der eigenen Soldaten oder die Vermeidung ziviler Opfer? Nach welchen Kriterien soll eine Armee im Ausland eingesetzt werden? Und wie passen Friedensethik und internationale Verantwortung zusammen?