Abensberg. Auf dem Gillamoos-Volksfest in Niederbayern schwingen Politiker meist kernige Reden. Da wird auf den jeweiligen Gegner eingedroschen wie sonst nur am Politischen Aschermittwoch. Doch Kanzlerin Angela Merkel entzog sich diesem Zwang - trotzdem wurde sie im großen Festzelt gefeiert.

Als Angela Merkel das Zelt betritt, gibt es kein Halten mehr. Die Burschen in ihren zum Knie reichenden Lederhosen und den rot karierten Hemden springen auf die Bänke, die Mädels in ihren Dirndln hinterher. Es ist Gillamoos, das größte Volksfest in Niederbayern - und der Besuch der Bundeskanzlerin löst dort den Ausnahmezustand aus. Schon lange vor Merkels Ankunft ist das Hofbräuzelt wegen Überfüllung geschlossen. In ihrer Rede bauchpinselt die CDU-Chefin vor allem die CSU und deren Chef Horst Seehofer.

Merkel war am Montag zum zweiten Mal in Abensberg. Seit 1313 wird dort im größten Hopfenanbaugebiet der Welt ein Volksfest gefeiert, seit den 50er Jahren gibt es Festzelte mit politischen Rednern. Bei ihrem ersten Besuch 2002 war Merkel noch die Gescheiterte: Ein gutes halbes Jahr vorher hatte sie Edmund Stoiber beim Wolfratshauser Frühstück die Kanzlerkandidatur überlassen und machte nun Wahlkampf für diesen. Zehn Jahre später ist Stoiber Geschichte - und im tiefschwarzen CSU-Kernland Niederbayern Merkel ein Star.

Selbst bei Karl-Theodor zu Guttenberg waren weniger Menschen als bei Angela Merkel

"Wir freuen uns sakrisch, dass Sie da sind", begrüßte der CSU-Landtagsabgeordnete Martin Neumeyer die Kanzlerin. Noch nie waren so viele Menschen auf dem Gillamoos bei einer Kundgebung. Auch nicht, als vor drei Jahren Karl-Theodor zu Guttenberg dort mit ACDC-Klängen gefeiert wurde. Für Angela Merkel ließen sie nun einen Sänger den Rolling-Stones-Klassiker "Angie" vortragen. Das ist ein weit beschaulicheres Lied als die Hardrockklänge von ACDC. Und ganz ähnlich fiel auch die Rede der Kanzlerin aus.

Die besten Sprüche auf dem Gillamoos-Volksfest

Andreas Fischer (FDP)

"Wir haben unsere Berge in Bayern, wir brauchen keine Schuldenberge."

Florian Pronold (SPD)

"Ein Hühnerhaufen ist eine militärische Kampfformation im Vergleich zur schwarz-gelben Koalition. Die streiten wie die Kesselflicker."

Florian Pronold (SPD)

"Für schwer erziehbare Kinder wie Dobrindt haben die jetzt extra die Kanzlerin in Gillamoos eingeflogen, damit die mal erklärt, wie das mit Europa ist."

Eike Hallitzky (Grüne)

"Würde jemand hier Herrn Söder einen Gebrauchtwagen abkaufen?"

Martin Neumeyer (CSU)

"Wer die SPD wählt, wählt die Schuldenunion."

Martin Neumeyer (CSU)

"Hollande erinnert uns Abensberger im Land des Spargels nur an Sauce Hollandaise."

Martin Zeil (FDP)

"Die Grünen werden erst dann Ruhe geben, wenn auch auf der Maß Bier und dem Schweinsbraten hier am Gillamoos eine Ernährungsampel aufgedruckt ist. Das werden wir ihnen versalzen."

Hubert Aiwanger (Freie Wähler)

"Ich möchte der Kanzlerin zurufen: Komm rüber, du altes Schlachtross, hier ist die Alternative."

Hubert Aiwanger (Freie Wähler)

"Was bekomme ich für eine Rente in Höhe von 600 bis 800 Euro? Eine Dose Katzenfutter oder drei Bananen."

Hubert Aiwanger (Freie Wähler)

"Wenn man unseren Mitbewerbern die Hand reicht, muss man hinterher die Finger zählen, ob noch alle da sind."

Hubert Aiwanger (Freie Wähler)

"Wir werden den anderen Parteien schon noch die eine oder andere Mass einschenken".

Christian Ude (SPD)

"Wir müssen uns an der Realität der Familie orientieren, nicht am CSU-Leitbild."

Christian Ude (SPD)

"Da fragt sich doch jeder Lohnsteuerzahler, ob diese Bundesregierung noch alle Tassen im Schrank hat."

Jürgen Trittin (Grüne)

"Gerade ist Frau Merkel in einem lila Jackett hier am Zelt vorbeigelaufen - aber ein lila Jackett macht noch keine Feministin. Wäre Frau Merkel eine Feministin, hätte sie ihre Familienministerin längst rausschmeißen müssen."

Jürgen Trittin (Grüne)

"Eigentlich müsste Merkel vom Verfassungsschutz beobachtet werden."

Jürgen Trittin (Grüne)

"Blöd, Blöder, Söder."

Jürgen Trittin (Grüne)

"Die Energiewende ist mit der "Dilettantentruppe in Berlin nicht zu schaffen."

Wolfgang Kubicki (FDP)

"Ich liebe Eure Sprache. Besonders, wenn sie von weiblichen Mitgliedern Ihrer Gemeinschaft ausgesprochen wird."

Wolfgang Kubicki (FDP)

"Seit 2009 wissen wir, dass Banken in wesentlichen Bereichen ihr Geschäft anders verstanden haben, als wir das als normale Kunden verstehen. Sie nehmen an Wetten teil."

Wolfgang Kubicki (FDP)

(über die Piraten) "Wie kann man auf die Idee kommen, eine Partei so zu nennen? Ich meine, wenn das so weiter geht, kommt die nächste neue Gruppierung mit dem Namen 'Die Terroristen'."

Wolfgang Kubicki (FDP)

(über Griechenland) "Wir leben in einem gemeinsamen europäischen Haus. Wenn das Dach brennt, können wir im Erdgeschoss nicht sagen: Das geht uns nichts an."

Wolfgang Kubicki (FDP)

"Wir sind aus der Atomkraft ausgestiegen, weil die Kanzlerin über Nacht gemerkt hat, dass ein Kernkraftwerk auch kaputt gehen kann."

Wolfgang Kubicki (FDP)

"Man kann auch bei Sozialdemokraten ein kleines Vermögen machen - wenn man vorher ein großes hatte."

Wolfgang Kubicki (FDP)

"Wir wollen mehr, und wir haben auch mehr verdient."

Angela Merkel (CDU)

"Die große Aufgabe der Politik ist, den Geist der sozialen Marktwirtschaft auch auf die Finanzwirtschaft auszudehnen, damit nicht immer wieder internationale Finanzkrisen alles einreißen, was Menschen mit ihrer Hände Arbeit fleißig aufgebaut haben."

Angela Merkel (CDU)

"Laptop und Lederhose, das ist das, was Bayern stark macht."

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Merkel ließ sich keinen Augenblick dazu hinreißen, wie beim Gillamoos eigentlich üblich politisch auf die Pauke zu hauen. Vor zwei Jahren hatte sie der jetzige FDP-Chef Philipp Rösler dort noch böse als "Barbiepuppe" bezeichnet. Doch auf einen Konter an selber Stelle verzichtete Merkel. Im Gegenteil. Sie bezog die FDP in ihre mit viel Eigenlob für die Koalition gespickte Rede mit ein. Vor zehn Jahren bei ihrem Besuch habe noch Rot-Grün regiert und es über fünf Millionen Arbeitslose gegeben, heute unter Union und FDP seien es unter drei Millionen. "Heute haben wir eine christlich-liberale Regierung und das ist gut für Deutschland", sagte Merkel.

Merkel macht CSU-Chef Horst Seehofer Komplimente

Ihr wichtigster Adressat für Komplimente waren die CSU und deren Chef Horst Seehofer. Seehofer habe richtigerweise die Devise ausgegeben, Bayern bis 2030 schuldenfrei zu machen. "Das ist vorausschauende Politik. In Bayern, da weiß man, worauf es ankommt", lobhudelte sie den um seine Wiederwahl zitternden Ministerpräsidenten. Merkel kündigte zudem an, den Seehofer-Kurs zu übernehmen. Die eigentliche Frage an die Demokratie heiße, "können wir in Deutschland und in Europa Wahlen gewinnen, wenn wir gemeinsam für solide Finanzen sind?"

Kein kritisches Wort kam von Merkel zu den Querschüssen von CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt gegen ihre Politik, Griechenland im Euro-Raum halten zu wollen. Im Gegenteil: Merkel diente sich als Wahlhelferin der Christsozialen an. "Ich werde die CSU nächstes Jahr in der Landtagswahl unterstützen, damit wir einen tollen Erfolg in Bayern haben und Horst Seehofer Ministerpräsident bleiben kann."

Die Landtagswahl in Bayern könnte für Merkel entscheidend werden

Der Ausgang der bayerischen Landtagswahl könnte auch über Merkels eigene Zukunft mitentscheiden, denn sie wird wahrscheinlich ein oder zwei Wochen vor der Bundestagswahl stattfinden. Siegt die CSU und kann sie womöglich sogar die absolute Mehrheit zurück erobern, könnte das Merkel im Schlussspurt des Bundestagswahlkampfes zusätzlichen Rückenwind bringen. Verliert die CSU aber und muss Seehofer die Staatskanzlei für Münchens SPD-Oberbürgermeister Christian Ude räumen, könnte das auch eine Wechselstimmung im Bund beflügeln.

Ude ätzte bereits am Wochenende mit Blick auf Merkels Rede, wenn Not am Mann sei, "sucht die CSU auch gerne wieder an Angela Merkels Rockzipfel Halt". Sollte dies das Kalkül gewesen sein, so ging es am Montag auf: Trotz ihrer eher staatstragenden Rede verabschiedeten sie die Gillamoos-Besucher mit langem Jubel. (afp)