Dortmund. . NRW geht mit Verboten und Razzien gegen rechte Kameradschaften vor. Schwerpunkt der Aktionen waren Aachen und Dortmund. Zeitgleich verbot Innenminister Ralf Jäger (SPD) die Vereine „Nationaler Widerstand Dortmund“, „Kameradschaft Hamm“ und „Kameradschaft Aachener Land“.

Nachdem Sprengstoffspürhund „Buddy“ das Zentrum der rechtsradikalen Neonazi-Szene in Dortmund durchsucht hat, sichern Polizeibeamte Spuren, fotografieren die Einrichtung und tragen Beweismittel aus dem Haus an der Rheinischen Straße. Vor wenigen Stunden erst hat NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) die Neonazi-Kameradschaften in Dortmund, Hamm und im Aachener Land verboten: Zeit zu handeln.

Direkt hinter der Eingangstür des Dortmunder Zentrums stehen hinter einem durchgesessenen blauen Sofa vier Schutzschilder der Polizei, schon ein wenig ramponiert. Trophäen von vergangenen Nazidemos?

Mittel für den Straßenkampf

Auf den Tischen liegen zahlreiche Plastikhefter „Liederbücher Dortmund“ mit deutschem Liedgut – „Die Wacht am Rhein“, „Hört ihr das Grollen“, oder „Ich hatt’ einen treuen Kameraden“. Überbleibsel der geselligen Abende der Neonazi-Kameradschaft Dortmund. Daneben Sturmhauben, noch verpackt, schwarze Handschuhe und ein Schlagstock. Nur wenige Schritte entfernt Reizgas, darunter auch ein großes, fast einen halben Liter fassendes Sprühgerät. Mittel für den Straßenkampf der Rechtsradikalen.

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Doch politisch brisant sind vor allem zwei Funde: An der Wand ein Plakat von Udo Voigt, bis 2011 Parteivorsitzender der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften NPD. „Gas geben“ prangt da in großen Lettern. Und darunter handschriftlich eine persönliche Widmung: „Für die Dortmunder Kameraden“, 3.9.2011 von Udo Voigt persönlich gezeichnet. Auf einem Dachboden lagern unzählige NPD-Wahlplakate mit Slogans wie „NPD – Verboten gut“. Direkt neben den Plakaten eine Kisten mit etlichen leeren Flaschen.

Die Razzia legt enge Verbindungen zur NPD offen 

Das Material beweist nach Ansicht des Innenministers Jäger, „welch enge Verflechtungen innerhalb dieser Neonaziszene bestehen“. Die Plakate könnten bei einem Verbotsverfahren gegen die NPD eingesetzt werden, sagt der Minister. Und weiter: „Die Mitglieder der heute verbotenen Vereinigungen lehnen unsere Demokratie und die Rechtsordnung ab. Ihre aggressiv kämpferische Grundhaltung richtet sich gegen elementare Grundsätze unserer Verfassung.“

Wie tief der Hass der Neonazis auf die Bundesrepublik und die Menschen hier ist, zeigt ein Blick in die Akten zum Verbot ihrer Kameradschaften. Auf dreimal gut 60 Seiten hat der Verfassungsschutz in NRW Beweise zusammengetragen. Zum Beispiel über das Ausrichten von Gedenkfeiern zum Geburtstag von Adolf Hitler, über Hassparolen gegen Juden, über Wehrsportübungen, über Kontakte zu Gewalttätern oder die Verabredung von gemeinschaftlichen Überfällen auf Nazigegner.

Gewalttätige Strukturen

In Dortmund gehört die Gruppe des so genannten autonomen „Nationalen Widerstandes“ zu den verbotenen Vereinigungen. Zu den rund 50 Mitgliedern zählt der Verfassungsschutz auch die gewaltbereite Skinheadfront Dorstfeld. Etliche organisierte Neonazis in Dortmund haben Vorstrafen wegen Gewalttaten, unter anderem wegen Totschlags. Einige sitzen in Haft.

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Aus Dokumenten, die der WAZ Mediengruppe vorliegen, geht hervor, dass dem Verfassungsschutz NRW seit mindestens 2003 Hinweise vorliegen, dass sich in Dortmund gewalttätige Neonazi-Strukturen gebildet haben, deren Mitglieder sich bis heute im nun verbotenen Kameradschafts-Spektrum bewegen. Konkret hat der NRW-Verfassungsschutz Hinweise darauf, dass sich damals in Dortmund eine so genannte Combat-18-Gruppe gebildet hat. Die Ziffern stehen für die Buchstaben A und H. Ein Symbol für den Namen Adolf Hitler.

120 Neonazis in Dortmund verfolgen die Idee der "Deutschen Revolution" 

Bei den Combat-18-Gruppen handelt es sich um rechtsradikale terroristische Vereinigungen, die sich in Kleinzellen bewaffnet haben, um Demokraten, Andersdenkende und Minderheiten anzugreifen und auch zu töten. Dem Verfassungsschutz NRW liegen Hinweise vor, dass auch die Combat-18-Struktur in Dortmund über Schusswaffen und Sprengstoff verfügte. Das Ziel der Neonazis war immer gleich: Mit der Gewalt sollte die „Deutsche Revolution“ ausgelöst werden. Gut 120 Neonazis in Dortmund, Aachen und Hamm verfolgen diese Ideen. Häufig in Abstimmung untereinander.

Doch damit ist nun erstmal Schluss. Innenminister Jäger sagt: „Wir verteidigen die demokratischen Grundprinzipien, damit die Menschen in NRW friedlich zusammen leben können.“ Zwei Möbelwagen rollen vor das Neonazi-Zentrum in Dortmund. Alles wird rausgetragen und abtransportiert zum Landeskriminalamt. Das Zentrum gibt es nicht mehr, genauso wenig wie Neonazi-Treffpunkte in Hamm oder im Aachener Land. Das Vermögen der Kameradschaften wurde beschlagnahmt. Ihre Organisation zerstört.