Rein statistisch ist in diesem Jahr bereits an fast jedem zweiten Tag irgendwo in Nordrhein-Westfalen jemand Opfer rechtsextremer Gewalt geworden. Doch im öffentlichen Bewusstsein spielen die unseligen Umtriebe der Neonazi-Kameradschaften noch immer allenfalls eine untergeordnete Rolle. Selbst das allgemeine Interesse an der Aufarbeitung der grausamen NSU-Mordserie, die ja nicht zuletzt in Nordrhein-Westfalen eine Blutspur hinterließ, droht sich schon wieder auf fehlerhafte Behördenabläufe zu verengen.
Der jüngste Schlag gegen rechtsradikale Organisationen in Dortmund, Aachen und Hamm erfüllt deshalb in zweifacher Hinsicht eine wichtige Funktion: Er reißt Löcher ins logistische Netz der Neonazis und rückt das Problem der braunen Gewalt stärker ins Zentrum unserer Wahrnehmung. Neonazis wüten nicht irgendwo, sondern in unmittelbarer Nachbarschaft. Das geht nicht nur debattierfreudige „Antifa“-Kreise etwas an.
Besorgniserregende Ausmaße in Dortmund
In Dortmund, der immerhin drittgrößten Stadt des Landes, hat die rechte Gewalt besorgniserregende Ausmaße angenommen. Wohin Wegschauen, Kleinreden, Verharmlosen führen können, hat die berüchtigte „Zwickauer Zelle“ gelehrt. Polizei und Verfassungsschutz arbeiten seither auf Bewährung.
Der markig auftretende NRW-Innenminister Jäger scheint entschlossen, der wehrhaften Demokratie ein Gesicht zu geben, und zwar seins. Mag ihn die Opposition deshalb als „roten Sheriff“ verspotten, so erweist der Duisburger SPD-Politiker mit den von PR-Getrommel begleiteten Polizei-Aktionen doch wahrlich nicht nur seinem persönlichen Image einen Dienst. Während sich andere hinter bürokratischen Formeln verschanzen, will Jäger einfach „den Neonazis auf die Springerstiefel treten“.
Ralf Jäger mit martialischer Wortwahl
Mit martialischer Wortwahl signalisiert er den eigenen Beamten wie den Bürgern: Wenn es um die gesellschaftliche Grundordnung geht, ist mit dem Staat nicht zu spaßen. Es gibt schlechtere Methoden, um verloren gegangenes Vertrauen in die Sicherheitsbehörden wiederherzustellen.