Berlin. Piraten-Chef Schlömer hat versprochen zu liefern. Ein Parteiprogramm sollte es werden, das sich nicht nur mit fahrscheinlosem Nahverkehr, sondern auch mit Antworten auf Fragen der Außenpolitik und der Euro-Krise beschäftigt. Vorweisen kann er bislang wenig. Bis zum Wahlkampf wird die Zeit knapp.
Der Druck steigt: Die Bundestagswahl rückt näher, und die Piraten verfügen auch nach dem sechsten und erfolgreichsten Jahr ihres Bestehens über kein ernst zu nehmendes Parteiprogramm. Piratenchef Bernd Schlömer weiß, dass er seine Partei auf Wahlkampfkurs trimmen muss. Doch die Basis denkt gar nicht daran, sich mit den politischen Kernthemen zu befassen, sondern verstrickt sich im Kleinklein.
Nachdem Schlömer auf dem letzten Parteitag in Neumünster zum neuen Vorsitzenden gewählt wurde, versprach er, dass die Piraten künftig auch zu den außen-, finanz- und sicherheitspolitischen Fragen Positionen entwickeln würden. Das war vor mehr als drei Monaten. Passiert ist seitdem wenig.
Der Grund dafür? Angeblich ein Softwareproblem. Das parteiinterne Mitbestimmungsprogramm Liquid-Feedback sei technisch noch nicht ausgereift genug, heißt es. Eine neue Version der Software soll nun am kommenden Montag eingeführt werden. Doch es sickerte bereits durch, dass auch das neue Programm weit hinter den Erwartungen zurückbleiben könnte. Ein paar Meinungsbilder hatten sich die Piraten bereits mit der alten Version eingeholt: Etwa zum Computer-Unterricht in den Schulen oder zu den in elektronischen Zigaretten verwandten Flüssigkeiten. Als hochpolitisch gelten diese Themen nicht.
Viele Parteitage, wenig Geld bei den Piraten
Die Mitgliederbefragungen haben ohnehin keinen bindenden Charakter. Inhaltlich festlegen können sich die Piraten praktisch nur auf Parteitagen. Der nächste ist für Ende November in Bochum geplant. Doch bereits jetzt zeichnet sich ab, dass dabei kein fertiges Programm herauskommt. Schon in Neumünster mussten alle Programmpunkte verschoben worden, weil der Ablauf der Veranstaltungen eher auf größtmögliche Basisdemokratie als auf Effizienz ausgerichtet gewesen ist.
Da im kommenden Jahr ein neuer Vorstand gewählt werden muss, ist es gut möglich, dass zwei bis drei weitere Parteitage vor den Wahlen einberufen werden. Womit man beim nächsten Problem der Piraten wäre: Parteitage kosten viel Geld. Und die Piraten sind dem Vernehmen nach eher schlecht bei Kasse.
Nur 19.000 von 35.000 Mitgliedern zahlen Beiträge
Nur etwa 19.000 der 35.000 Mitglieder zahlen ihre Mitgliedsbeiträge. Die staatliche Förderung ist ohne Bundestagsmandate relativ gering, und Großspender sind offenkundig nicht in Sicht. Zwar verkündet Schlömer, es sei alles gar nicht so schlimm, doch andere Spitzenpiraten bewerten die Situation als kritisch.
Nach den Wahlerfolgen in Berlin, Saarland und Schleswig-Holstein scheint der Lack ein wenig ab zu sein. In Umfragen stagnieren die bisher erfolgsverwöhnten Piraten. Auch die Talkshow- und Feuilletonredaktionen scheinen das Interesse an der Partei mehr und mehr zu verlieren.
Keine guten Aussichten für die Piraten: Den Parteivorsitzenden Schlömer zwingt all das jetzt zur Offensive: Die Eurokrise werde eines der wichtigsten Wahlkampfthemen der Piraten werden, kündigte Schlömer im dapd-Interview an und kritisierte zudem das Krisenmanagement der Bundesregierung. Zudem warb er dafür, aktiv nach Bündnispartnern bei den anderen Parteien zu suchen. "Ich persönlich engagiere mich politisch, weil ich auch Dinge umsetzen will", betonte er. Ob die Basis bereit ist, ihm auf diesem Weg in den Wahlkampf zu folgen, wird sich zeigen. (dapd)