Berlin. . Sie waren die Überflieger bei den Landtagswahlen, doch der Hype ist vorbei: Bundesweit sind die Piraten bei Umfragen in der Wählergunst von 13 auf acht Prozent eingebrochen. Zurzeit arbeiten sie an ihren Grundsatzpositionen jenseits des Urheberrechts.
In Niedersachsen haben sich die Piraten blamiert: Im zweiten Anlauf vergeigten sie die Aufstellung der Kandidatenliste für die Landtagswahl. Und bundesweit brachen sie bei Umfragen in der Wählergunst von 13 auf acht Prozent ein. Klar ist: „Die Piraten müssen mehr bieten als bisher“, sagt der Göttinger Politologe Stephan Klecha. Denn in einem zugespitzten Bundestagswahlkampf könnte es ein Nachteil sein, wenn die Piraten keine Meinung etwa zur Euro-Krise oder Steuerpolitik hätten.
Piraten-Chef Bernd Schlömer dagegen ist „zuversichtlich“, dass das Programm für die Bundestagswahl „Bausteine abseits unserer Kernthemen enthalten wird, etwa zur Wirtschafts-, Außen-, Sicherheits- und Verkehrspolitik“. Auf ihrem Parteitag im November wollen sich die Freibeuter stärker positionieren. Bis dahin wartet auf die Arbeitsgruppen eine Heidenarbeit.
Außen- und Sicherheitspolitik: Die Piraten setzen sich für eine international faire Handelsordnung ein. Schlömer hofft auch auf die Forderung nach einem Weißbuch des Auswärtigen Amtes und auf ein Bekenntnis zu einer interventionskritischen Außenpolitik. Die frühere Grünen-Chefin und Nun-Piratin Angelika Beer will mehr Transparenz bei Rüstungsexporten und dazu den Bundessicherheitsrat abschaffen.
Wirtschaftspolitik: Ziel ist das bedingungslose Grundeinkommen. Die Piraten wollen die Zwangsmitgliedschaft in Kammern abschaffen, pochen auf Transparenz bei Verträgen zwischen Staat und Wirtschaft und auf den Abbau von Monopolen. Weitere konkrete Positionen wurden auf dem letzten Parteitag nicht beschlossen. „Wir müssen jetzt aber Positionen in der Wirtschafts- und Steuerpolitik verabschieden, um konkurrenzfähig zu bleiben“, fordert Robert Stein, einer der Koordinatoren der AG Wirtschaft. In Baden-Württemberg wollen die Piraten alle Subventionen überprüfen. Ähnliche Überlegungen gibt es in der Bundespartei. Erwägt wird ein „Trennbankensystem“, wonach ein Geldhaus seine Risikosparten vom „normalen“ Geschäft abgrenzen soll.
Euro-Rettung: Im April bekannte der damalige Oberpirat Sebastian Nerz, dass die Piraten von der Eurokrise keine Ahnung haben. Nun steuern sie vorsichtig auf das Thema zu. Zunächst lehnte der NRW-Landesverband den Euro-Rettungsschirm ESM ab. Dann kündigte der Bundesvorstand an, sich der Verfassungsklage des Bürgerrechtsvereins „Mehr Demokratie“ gegen den ESM-Vertrag anzuschließen. Seit einigen Wochen gibt es eine Gruppe in der AG Wirtschaft, die den Rettungsschirm und den Fiskalpakt unter die Lupe nimmt und an Alternativen bastelt. Dazu zapfen die Piraten Krisen-Kenntnisse von prominenter Seite an, wie kürzlich bei einer Diskussion mit dem Wirtschaftsweisen Peter Bofinger und dem designierten Chef des Euro-Dauerrettungsschirmes, Klaus Regling.
Piratenpartei feiert in Düsseldorf
Energiepolitik: Die Piraten möchten eine umweltschonende Infrastruktur und setzen auf genossenschaftlich organisierte, dezentrale Kraftwerksverbünde. Dazu gibt es bereits einen recht konkreten Antrag der AG Umwelt für den Parteitag. Demnach soll der Atomausstieg bis spätestens 2020 erfolgen. Die Autoren lehnen Fracking und die CCS-Technologie ab. Fördergelder sollen dezentrale Kraft-Wärme-Koppelung-Anlagen bekommen sowie Maßnahmen zur Energieeffizienz und Wärmedämmung.
Steuerpolitik: Abenteuerlich sind erste Ideen zur Steuerpolitik. Lohn-, Einkommens-, Körperschafts-, Gewerbesteuer? Sozialversicherungsbeiträge? Weg damit! Dafür soll die Mehrwertsteuer steigen und Krankenversicherung, Renten und Pensionen finanzieren. Weiter wollen die Piraten Gutverdiener stärker schröpfen: etwa durch eine höhere Erbschaftssteuer. Dummerweise steht das Konzept nicht im Einklang mit der europäischen Mehrwertsteuerrichtlinie. Doch auch dafür haben die Piraten eine Lösung: Entweder ändert die EU die Richtlinie, oder der ganze Euroraum setzt das Konzept um. Oder es kommt eben wieder die gute alte D-Mark.