Berlin. . Künftig soll nicht mehr ein Arzt allein entscheiden, wer auf die Warteliste für ein neues Organ kommt. Die Bundesärztekammer fordert mehr und vor allem effizientere Kontrollen. Doch Politikern wie dem CSU-Gesundheitsexperten Johannes Singhammer ist das zu wenig.
Nach dem Skandal um die Vergabe von Spenderorganen zieht die Ärzteschaft Konsequenzen. Sie will die Vergaberichtlinien für Organe ändern, pocht auf mehr Transparenz und stärkere Kontrollen in der Transplantationsmedizin. Die Auswahl der Empfänger werde künftig effizienter kontrolliert, kündigte der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, nach einem Treffen mit Vertretern von Kliniken und Kassen an.
Welche Möglichkeiten zur Manipulation gibt es derzeit bei der Organspende?
Mehrere Wege sind denkbar. Ein Arzt kann durch gefälschte Labordaten einen Menschen „kränker“ darstellen, als er ist. Damit rückt er auf der Warteliste nach oben. Der Mediziner kann auch einen Spender so krank darstellen, dass seine Organe schwer vermittelbar werden. Wenn sich kein Abnehmer findet, kann es zum beschleunigten Vermittlungsverfahren kommen. Es soll verhindern, dass ein Organ verloren geht. Dann spielt die offizielle Warteliste keine Rolle mehr. Die Klinik entscheidet schließlich, wem sie das Organ einpflanzt.
Wie will man die Manipulationsgefahr dabei verringern?
Durch die Einführung eines Mehraugenprinzips, durch neue Regeln für die beschleunigte Organvergabe, härtere Strafen für Übeltäter und unangekündigte Kontrollen bei den Transplantationszentren.
Wie funktioniert das Mehraugenprinzip?
Es bedeutet, dass nicht mehr ein Arzt allein entscheidet, ob man auf die Warteliste kommt. Das erledigen künftig mehrere Mediziner in Transplantationskonferenzen. Montgomery denkt dabei an einen Laborarzt, der kontrollieren soll, ob die an Eurotransplant gemeldeten Werte korrekt sind.
Verhindert es die Manipulation?
Eine 100-prozentige Sicherheit kann man nie erzielen. Wenn allerdings mehrere Personen eingebunden sind, dann sind Tricksereien durch eine Einzelperson nicht mehr möglich.
Welche Konsequenzen drohen künftig Ärzten bei Manipulation?
Bei „nachgewiesenem schweren ärztlichen Fehlverhalten“ können Ärzte ihre Approbation und Zentren ihre Zulassung verlieren.
Wird es mehr Kontrollen geben?
Ja. Künftig sind verdachtsunabhängige flächendeckende Kontrollen geplant – und zwar ohne Verdachtsmomente. Bislang konnten die Prüf- und Überwachungskommissionen der gemeinsamen Selbstverwaltung erst dann einschreiten, wenn sie Hinweise auf mögliche Manipulationen bekommen haben. Für den verstärkten Einsatz fordert Montgomery mehr Personal und Geld von den Kassen. Er strebt eine bessere Zusammenarbeit mit staatlichen Ermittlern an.
Was ändert sich beim beschleunigten Vermittlungsverfahren?
Das Verfahren war einst als Ausnahmeregel gedacht, damit kein Organ verloren geht. Nun gibt es immer mehr beschleunigte Vermittlungen, weil die Spender immer älter werden und deren Organe als schwer vermittelbar gelten. Künftig soll das Vermittlungsverfahren wieder zur Ausnahme werden – durch enge Regeln.
Debatte über Organspenden
Die Details sind noch offen. Der GKV-Spitzenverband etwa fordert, dass bei jeder beschleunigten Vergabe schriftlich festgehalten werden muss, warum eine Vergabe an eine bestimmte Person erfolgt. Diese Begründungen müssten an Eurotransplant gehen.
Was sagen Politiker zu den Plänen?
Für Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) und den CSU-Gesundheitsexperten Johannes Singhammer sind sie ein erster Schritt. „Die reichen aber nicht aus“, sagte Singhammer dieser Zeitung und forderte eine staatliche Kontrollinstitution bei der Organspende. Das will die Bundesärztekammer nicht.
Was bringen die Pläne?
Das wird erst die Ausarbeitung zeigen. Zwei Beispiele: Die Prüfkommission will künftig ihre Berichte offenlegen. Schön und gut. Dabei wird es aber darauf ankommen, wie detailliert sie sind. Auch das Mehraugenprinzip ist sinnvoll. Es wäre aber auch beim Organspender nötig, damit niemand in Versuchung kommt, den Geber „kränker“ darzustellen, als er tatsächlich ist.
Wie geht es nun weiter?
Am 27. August gibt es ein Spitzentreffen bei Gesundheitsminister Bahr. Die neuen Richtlinien könnten im September erstellt werden, sagte der Vorsitzende der Ständigen Kommission Organtransplantation, Hans Lilie.