Berlin. . Sigmar Gabriel plädiert für die Vergemeinschaftung von Altschulden der Euroländer. Dafür muss der SPD-Chef harsche Kritik einstecken. Unterstützung erfährt Gabriel dagegen von Wirtschaftsweisen. Sie plädieren für einen befristeten Schuldentilgungsfonds.

Schuldensozialismus, Kasperletheater, Schlingerkurs: Mit harscher Kritik haben Koalitionspolitiker auf das Plädoyer von SPD-Chef Sigmar Gabriel reagiert, per Volksabstimmung eine gemeinschaftliche Haftung für die Euro-Schuldenlast einzuführen. Doch der von Gabriel aufgegriffene Vorstoß für das SPD-Wahlprogramm, verfasst von den Professoren Jürgen Habermas, Peter Bofinger und Julian Nieda-Rümelin, ist weniger spektakulär als es gestern zeitweise schien. Und er findet bei Fachleuten durchaus Zustimmung.

Das gilt vor allem für den befristeten Schuldentilgungsfonds, den Gabriels Professoren-Trio wieder in die Debatte einbringt. Den Tilgungsfonds haben die fünf deutschen Wirtschaftsweisen – Peter Bofinger gehört diesem Sachverständigenrat an – schon 2011 vorgeschlagen. Kern: Die Schulden der Euro-Länder würden oberhalb einer festen Grenze – in Anlehnung an die Maastricht-Kriterien 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – in einen Tilgungsfonds ausgelagert. Die Haftung für diese Altschulden würden alle Staaten zusammen übernehmen, den Schuldenberg abtragen müssten aber die jeweiligen Staaten verbindlich innerhalb von 20 bis 25 Jahren.

Klares Solidaritäts-Bekenntnis

Mit dem klaren Solidaritäts-Bekenntnis soll das Vertrauen in die Euro-Zone gestärkt werden. Erhoffter Effekt: Die Zinsen für Krisenstaaten würden sinken, die Regierungen hätten Zeit für Reformen. Deutschland, dessen Schulden derzeit rund 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen, würde auf diese Weise Altschulden von etwa 500 Milliarden Euro in den Fonds auslagern, die gesamte Euro-Zone rund 2,3 Billionen. Der Tilgungsfonds würde auch Anleihen ausgeben, um mit den Einnahmen die Teilnehmerländer zu refinanzieren und die Zinsen für Krisenländer zu verringern.

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SPD und Grüne befürworten die Idee seit längerem und trugen den Vorschlag des Sachverständigenrats im Juni im Kanzleramt vor. Die Regierung lehnte ab – wegen verfassungsrechtlicher Bedenken, die von den Wirtschaftsweisen inzwischen per Gutachten zurückgewiesen wurden.

Parallel plädieren die Professoren in ihrem Beitrag für das SPD-Wahlprogramm auch für Eurobonds, also die dauerhafte gemeinsame Haftung für Staatsanleihen. Von den Eurobonds war die SPD-Spitze zuletzt etwas abgerückt, vor allem unter Hinweis auf die notwendige Verfassungsänderung.

Fahrplan zur politischen Union

Um die notwendige Kontrolle über die nationalen Haushalte wirksam durchsetzen zu können, müssten die Euro-Staaten nämlich Souveränitätsrechte an EU-Institutionen abgeben; das sehen auch die Professoren so. Sie entwerfen für den Sprung zur politischen Union einen Fahrplan: Deutschland würde die Initiative für einen Verfassungskonvent auf europäischer Ebene ergreifen, parallel würde hierzulande eine Grundgesetzänderung vorbereitet. Volksabstimmungen darüber könnten ab 2017 stattfinden.

Im Ansatz ist die Idee nicht weit von der Position von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) entfernt, der langfristig Eurobonds nicht ausgeschlossen hatte, wenn die Voraussetzungen gegeben seien; Schäuble hatte eine Volksabstimmung binnen fünf Jahren für möglich gehalten. Anders als Koalitionspolitiker reagierte die Bundesregierung deshalb eher gelassen auf den SPD-Vorstoß: Die Kanzlerin sei für ein schrittweises Vorgehen, die Volksabstimmung liege weit in der Zukunft, so ein ­Regierungssprecher.