Berlin. Die Lage in Syrien bleibt angespannt. Es gibt neue Berichte über Massaker und eine Entführung von 50 iranischen Pilgern. Trotz der wachsenden Instabilität lehnt Bundesverteidigungsminister de Maizière einen Militäreinsatz in Syrien ab. “Das Scheitern der Diplomatie darf nicht automatisch zum Beginn des Militärischen führen“, sagte der CDU-Politiker.

Berichte über neue Massaker und die Entführung von fast 50 iranischen Pilgern haben am Wochenende erneut ein Schlaglicht auf die wachsende Instabilität in Syrien geworfen. Eine sunnitische Extremistengruppe erklärte zudem im Internet, einen bekannten syrischen Fernsehsprecher verschleppt und hingerichtet zu haben. Derweil sprach sich Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) auch nach dem Rücktritt des Syrien-Sondergesandten Kofi Annan für militärische Zurückhaltung in dem Land aus. Der Aufstand gegen Präsident Baschar al-Assad hält seit fast eineinhalb Jahren an. Dabei sind schätzungsweise 18.000 Menschen ums Leben gekommen.

"Das Scheitern der Diplomatie darf nicht automatisch zum Beginn des Militärischen führen", sagte de Maizière der in Berlin erscheinenden Zeitung "Welt am Sonntag". Es sei "zweifellos bitter und frustrierend, auf dieses Morden schauen zu müssen, ohne direkt etwas dagegen unternehmen zu können", erläuterte der Minister. Deutschland müsse weiter humanitär helfen und die demokratisch gesinnten Teile der Opposition logistisch unterstützen. "Aber mehr nicht", sagte de Maizière.

Um das Morden in Syrien zu beenden, wäre es mit einer Flugverbotszone nicht getan, glaubt der CDU-Politiker: "Es müssten Soldaten auf dem Boden eingesetzt werden, zu Zehntausenden, um die Gewalt zu unterbinden. Das ist derzeit weder machbar noch verantwortbar."

Berichte über drei neue Massaker in Syrien

In der syrischen Wirtschaftsmetropole Aleppo hat es nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London auch am Sonntag wieder heftige Gefechte gegeben. Die Armee von Präsident Baschar al-Assad beschoss demnach am Morgen das Viertel Salaheddin, das die bewaffneten Rebellen nach eigenen Angaben zur Hälfte kontrollieren. Laut Beobachtungsstelle gab es außerdem Kämpfe zwischen Aufständischen und Soldaten in drei weiteren Bezirken im Westen der 355 nördlich von Damaskus gelegenen Stadt. Dabei kamen demnach zwei Rebellen ums Leben.

Bereits am Samstag entführten Bewaffnete bei Damaskus 47 iranische Pilger. Der Vorfall ereignete sich, als die Pilger mit dem Bus vom Ort Sajeda Seinab zum Flughafen fuhren, wie die iranische Nachrichtenagentur IRNA meldete. Am späten Abend berichtete die halbamtliche iranische Nachrichtenagentur Fars, dass syrische Soldaten die Geiseln befreit hätten. Eine Quelle für die Information nannte die Agentur nicht. Auch eine Bestätigung von syrischer Seite gab es zunächst nicht. Iranische Staatsmedien machten die Rebellen für die Tat verantwortlich. Der Iran gilt als enger Verbündeter des Regimes von Präsident Baschar Assad.

Regimetreue syrische Milizen töteten nach Berichten der "Süddeutschen Zeitung" und der ARD in einem Ort südwestlich von Damaskus mehr als 60 Menschen. Ihren Reportern seien drei Massaker in den letzten Tagen in und um die Kleinstadt Dschdaidat Artus vor Ort von Anwohnern berichtet worden, teilte die Zeitung am Samstagabend mit. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London habe vor zwei Tagen von 43 getöteten jungen Männern in dem Ort berichtet, die von Sicherheitskräften festgenommen, gefoltert und später einzeln oder in Gruppen getötet worden seien. Anwohner hätten der Zeitung, der ARD und einem Team von UN-Beobachtern von mindestens 20 weiteren Opfern bei diesem und zwei weiteren Massakern berichtet.

Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen, stimmten aber darin überein, dass regimetreue Milizen dafür verantwortlich gemacht würden, hieß es weiter.

Syrischer Fernsehsprecher offenbar hingerichtet

Eine in Syrien ansässige sunnitische Extremistengruppe teilte unterdessen im Internet mit, sie habe einen bekannten syrischen Fernsehsprecher entführt und getötet, der seit dem 19. Juli als vermisst galt. Dem Mann sei vor seiner Tötung der Prozess gemacht worden, teilte die Gruppe mit dem Namen Al-Nusra-Front mit. "Vielleicht werden diese und andere Operationen all denjenigen als Beispiel dienen, die dieses tyrannische Regime unterstützen", hieß es in einer Erklärung, die zusammen mit einem Foto des entführten Fernsehmannes veröffentlicht wurde. Das Foto stammte offenbar aus der Gefangenschaft.

Unterdessen gingen die Angriffe syrischer Regierungstruppen gegen die letzten von den Rebellen gehaltenen Viertel in der Hauptstadt Damaskus weiter. Heftige Kämpfe wurden zudem aus der Wirtschaftsmetropole Aleppo im Norden gemeldet, wo Hunderte Rebellen am Samstag das Rundfunkgebäude angriffen, während die Regierung Flugzeuge und Kampfhubschrauber einsetzte. (dapd/afp/rtr)