Kairo. . Schwere Vorwürfe der Menschenrechtsorganisation Amnesty International gegen Geheimdienste und Regime-Milizen wegen Folter, Mord und Erpressung. Rebellen haben drei Polizeistationen der Stadt erobert. Die gefürchteten Shabiha-Milizen machten Jagd auf Verwundete, Ärzte und Krankenschwestern.

Kilometerweit waren die schweren Explosionen zu hören. Stundenlang bombardierten MiG-Kampfflugzeuge und Kampf­hubschrauber die Wohnviertel. Die schweren Kämpfe in Aleppo dauerten am Mittwoch bereits den fünften Tag an, während Amnesty Inter­national in einer Dokumentation schwere Vorwürfe gegen den ört­lichen Geheimdienst und die ­Regime-Milizen in der Stadt erhob.

Bei jeder Demonstration in den zurückliegenden Monaten sei scharf in die Menge geschossen worden. Getötet wurden auch unbeteiligte Passanten, sogar Kinder, schreibt die Menschenrechtsorganisation. Verhaftete wurden gefoltert mit Elektroschocks, Schlafentzug oder stundenlangem bestialischen Prügeln. Hunderte andere sind seit Monaten spurlos verschwunden, wurden vermutlich zu Tode gequält.

Die gefürchteten Shabiha-Milizen machten derweil Jagd auf Verwun­dete, Ärzte und Krankenschwestern, heißt es in der 36-seitigen Dokumentation. Donatella Rovera, die die Recherchen für Amnesty Ende Mai in der syrischen Wirtschaftsmetropole gemacht hat, spricht von einem verstörenden Muster von Missbrauch. So seien Verwandte von Opfern gezwungen worden, per Unterschrift zu bestätigen, dass die Getöteten ­angeblich durch bewaffnete Terroristen ums Leben gekommen waren.

Amnesty International forderte den UN-Sicherheitsrat in New York auf, den Fall Syrien an den inter­nationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu übergeben.

Auch Aufständische exekutieren

Am Mittwoch meldeten die Rebellen in Aleppo derweil die Einnahme von drei Polizeistationen, dabei seien mindestens 40 Polizisten getötet worden. Nun konzentrieren sich die Kämpfer offenbar darauf, die Zentrale des Militärgemeindienstes zu ­erobern. „Wenn wir das schaffen, ist ein Sieg möglich“, erklärte einer der Kommandeure der „Freien Syrischen Armee“. Zuvor hatten die ­Regimegegner einen Grenzübergang zur Türkei in ihre Hand gebracht, der ihnen nun eine direkte Nachschubverbindung nach Aleppo ermöglicht. Auf einem Video sind bewaffnete Aufständische zu sehen, die mit einem wilden Kugelhagel mindestens vier Mitglieder des ­regimetreuen Al-Berri-Stammes ­exekutiert haben.

Für die Bewohner wird das Leben in der umkämpften Millionenstadt immer unerträglicher. Viele Menschen suchen hilflos zwischen den schnell wechselnden Fronten nach Schutz. Mindestens 200 000 der 2,5 Millionen Einwohner sind nach ­Angaben der Vereinten Nationen ­bereits aus der Stadt geflohen. In Damaskus erreichten die Kämpfe am Mittwoch nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte erstmals seit 17 Monaten auch die Christenviertel Bab ­Tuma und Bab Sharqi im histo­rischen Zentrum der Hauptstadt.

Assad spricht von „fremden Agenten“

Präsident Bashar Assad sprach im Blick auf Aleppo von „der entscheidenden Schlacht im Kampf gegen die Terroristen“ und nannte die ­Armee „das Rückgrat des Vaterlands“. Der Feind sei inzwischen „unter uns“, er nutze fremde Agenten, um das Land und die Sicherheit seiner Bürger zu destabilisieren, ­sagte der Präsident.

Nach eigenen Angaben verfügen die Rebellen nun erstmals über zwei Dutzend Boden-Luft-Raketen, mit denen sie Kampfhubschrauber und Düsenjäger des Regimes abschießen können. Das berichtete der amerikanische Fernsehsender NBC.