Bottrop/Sonsbeck. Fallende Preise und steigende Kosten lassen viele Betriebe um ihre Zukunft bangen. Andere Landwirte dagegen sehen dem Wettbewerb auf dem Weltmarkt hoffnungsvoll entgegen.
Im Wein liegt Wahrheit, heißt es. In der Milch liegen sogar zwei Wahrheiten. Die eine lautet: Viele deutsche Milchbauern werden auf dem freien Weltmarkt scheitern. Und die andere: Die Welt wartet auf deutsche Milch. Beide Sätze sind uneingeschränkt wahr. Warum, erklärt die Geschichte zweier Bauern: Der eine aus Sonsbeck am Niederrhein, der andere aus Bottrop-Kirchhellen. Der eine sieht die Zukunft seiner Zunft eher düster, der andere sieht sie rosig.
Karl-Josef Vermöhlens Hof steht im Kreis Wesel, wo Kühe zur Landschaft gehören. Vermöhlen hat 400 Tiere im Stall. Ein großer Betrieb, der wie viele andere ein Problem hat: Milch ist nichts mehr wert. „Schlimm ist die Lage“, schimpft Vermöhlen, „noch schlimmer als 2008“, beim Milchstreik, als der Zorn die Bauern auf die Straße trieb. „Im Herbst kostete der Liter Rohmilch 35 Cent, dann fiel der Preis auf 27 Cent. Aber Futtermittel und Strom kosten immer mehr. Wir zahlen 20 000 Euro im Jahr für Strom, 2009 waren es 5000 Euro weniger. Und beim Futter sieht es so aus: 100 Kilo Soja kosten 52 Euro, früher gab es Soja für die Hälfte. Das ist verrückt: Wir sollen aus teurem Futter billige Milch machen.“
Quote ab 2005 Geschichte
Vermöhlen, 55 Jahre, erinnert sich an die Einführung der Milchquote 1984, an eine Zeit, in der der Milchmarkt streng geregelt war. Doch die Quote wird ab 2015 in der EU Geschichte sein. Heute schon setzt der Markt den Bauern zunehmend die Regeln vor. „Wir müssen immer mehr Milch produzieren, um zu verdienen, aber mehr Milch senkt den Preis. Das ist doch pervers“, stöhnt er. Auf dem Weltmarkt sei so mancher deutsche Bauer verloren und verkauft. „Wir können nicht mit USA, China oder Neuseeland konkurrieren. Dafür sind die Bedingungen hier zu streng: eingeschränkte Fläche für Gülle, teurer Strom und mehr.“ Vermöhlen will keine Planwirtschaft. Aber „fair“ solle es zugehen. Der Staat müsse helfen. „Alle haben eine Lobby, die Milchwirtschaft, der Handel, nur wir Bauern nicht.“
Friedrich Steinmann, Milchbauer aus Kirchhellen, sieht voller Zuversicht nach vorn. Er hat ähnlich viele Kühe wie Karl-Josef Vermöhlen, aber eine andere Sicht auf die Dinge. In seinem Betrieb leben vier Generationen von und mit der Landwirtschaft, drei Söhne sehen ihre Zukunft in dieser Branche. 2008 sei die Lage tatsächlich „grottenschlecht“ gewesen. „Da waren 200 Tiere im Stall nicht genug, viele Kollegen mussten zur Bank, um zu betteln“, sagt Steinmann, der sich im Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband engagiert. „Heute reichen 80 bis 100 Kühe, um eine bäuerliche Familie zu versorgen.“
HintergrundExport nach China und Indien
Steinmann arbeitet mit einer niederländischen Molkerei-Genossenschaft zusammen. „Die verkauft Milchprodukte weltweit. Sogar die Chinesen und die Inder kommen auf den Milch-Geschmack. Und Milch gehört zu immer mehr Mix- und Trendgetränken. Das ist unsere Chance“, findet Steinmann. 1984, zur Quoten-Premiere, hatte er nur 30 Kühe. Wer mehr haben, wer das „strenge EG-Korsett“ damals sprengen wollte, musste Strafe zahlen. „Aber damals war der Milchpreis auch nicht gut“, erinnert er sich.
Den Wettbewerb scheut Steinmann nicht. Er fühlt sich fit dafür: „Gutes Management ist wichtig. Der Landwirt von heute muss top-ausgebildet sein, sich ständig weiterbilden. Jeder weiß: Nur gesunde Kühe geben viel Milch.“ Sohn Christoph träumt von der Expansion des Betriebes, seine Brüder Michael und Thomas haben Landwirtschaft studiert. Ein Job mit goldenem Boden, sagt der Vater: „Absolventen landwirtschaftlicher Fakultäten werden von Arbeitgebern geradezu abgesaugt.“