Washington.. 1300 Landkreise in 30 Bundesstaaten der USA sind wegen der anhaltenden Dürre als Katastrophengebiete ausgewiesen. Tendenz: steigend. Der Nationale Wetterdienst erwartet für Bundesstaaten im Mittleren Westen erst im Oktober ergiebige Niederschläge. In ihrer Verzweiflung beten Amerikaner um Regen.
Steve Gartners Miene wird mit jeder Schüppe finsterer. Der Landwirt aus Litchfield im US-Staat Illinois gräbt vor laufenden Fernsehkameras ein Loch in sein Maisfeld, um die Misere zu veranschaulichen. Die zu rosigeren Zeiten schwere und fruchtbare Erde rieselt ihm wie feiner Sand durch die Finger. Bei einer Tiefe von 1,80 Meter hört Gartner deprimiert auf. „Es hat keinen Sinn. Die Pflanzen suchen nach Feuchtigkeit, aber es ist knochentrocken.“
Szenen wie diese wiederholen sich in diesen von Rekord-Temperaturen über 40 Grad und Regenmangel geprägten Tagen fast überall in den USA. Nicht, dass die Menschen nicht an die launische Natur gewöhnt wären. Aber in diesem Jahr ist es besonders schlimm. 1300 Landkreise in 30 Bundesstaaten sind mittlerweile als Katastrophengebiete ausgewiesen. Tendenz: täglich steigend. 60 Prozent der Vereinigten Staaten haben mit der schwersten Dürre seit fast 60 Jahren zu kämpfen. Fast die gesamte „Kornkammer“ der Republik von Nebraska bis Mississippi sitzt seit Monaten unter sengender Sonne. Bei Mais, Sojabohnen und Getreide drohen Ernteausfälle bis zu 50 Prozent. Preissteigerungen von bis zu 25 Prozent auf den Weltmärkten sind schon jetzt die Folge.
Gewaltige finanzielle Auswirkungen
Viehzüchter müssen vorzeitig Rinder, Schweine und Hühner schlachten, weil Futter gar nicht mehr oder nur noch zu astronomischen Preisen zu haben ist. Auf großen Wasserstraßen wie dem Mississippi kommt der Schiffs- und Fährverkehr zum Erliegen, weil die Flüsse nicht mehr genügend Wasser führen. In manchen Landesteilen wird Wasser für die öffentlichen Haushalte bereits rationiert, weil Stauseen und andere Reservoire zusehends leerlaufen.
Der Pessismus der Metereologen vom Nationalen Wetterdienst reicht so weit, dass etliche Bundesstaaten im Mittleren Westen voraussichtlich bis Oktober auf ergiebige Niederschläge warten müssen – zu spät. Al Shipe, Wetterfrosch aus Illinois, sieht ein düsteres Szenario voraus: „Es wird sogar das Wasser fehlen, um Waldbrände zu löschen.“
Klimawandel beeinflusst das "landwirtschaftliche Herzstück Amerikas“ immer mehr
Die Statistiken sind wirklich ernüchternd. Nach Angaben des Nationalen Klimadaten-Centers ist der Sommer 2012 auf dem bestem Weg, als einer der drei heißesten seit Beginn akkurater Aufzeichnungen im Jahr 1895 in die Geschichte einzugehen. Was die Fachleute am meisten beunruhigt: Es sind nicht nur notorisch trockene Südstaaten wie Texas, denen die Natur den Wasserhahn so gnadenlos abgestellt hat wie in den „Dust Bowl“"-Schreckenszeiten der 30er-Jahre, als die Naturgewalten riesige Landstriche in „Staub-Becken“ verwandelten und die große Depression entfachten. Laut Ernährungs-Ökonom Bratt Ripley erfassen die durch den globalen Klimawandel ausgelösten Wetterphänome „immer stärker das landwirtschaftliche Herzstück Amerikas“. Die finanziellen Auswirkungen sind gewaltig. Allein im vergangenen Jahr glichen die US-Versicherungen Ernteausfälle nur bei Mais und Soja in der Größenordnung von elf Milliarden Dollar aus. „Damit werden wir diesmal nicht auskommen“, sagt David Graves vom Verband der Mais-Versicherer.
Im Süden, wo man an die Naturkatastrophe Trockenheit schon lange gewöhnt ist, sind christlich grundierte Glaubensgemeinschaften bereits dazu übergegangen, sich regelmäßig vereint an höhere Mächte zu wenden. „Pray for Rain!“ – Bete für Regen – steht auf vielen Plakaten in Texas und New Mexico geschrieben. Landwirtschaftsminister Tom Vilsack schließt sich an: „Wenn ich einen Regentanz kennen würde – ich würde es machen.”