Brüssel. Die Rating-Agentur sieht die Spitzen-Kreditwürdigkeit der Bundesrepublik kritischer als bisher. Die Experten fürchten weitere hohe Kosten bei der Euro-Rettung, da nun auch Spanien und Italien taumeln.
Nackenschlag für Deutschland und die anderen Euro-Retter: Die Bundesrepublik sieht ihre Finanzkraft in Zweifel gezogen. Schon seit längerem kursieren Sorgen, dass die Euro-Krise Deutschland in den Abgrund zieht.
Was ist passiert?
Die große Rating-Agentur Moody's droht dem Deutschland sowie den als ebenfalls sehr solide geltenden Euro-Staaten Niederlande und Luxemburg damit, deren Spitzen-Kreditwürdigkeit künftig weniger gut als bisher zu beurteilen. Deutschland schultert als größter EU-Staat die größten Risiken bei der Euro-Rettung.
Moody's-Rivale Standard & Poor's erwägt derzeit nicht, an Deutschlands Top-Bonität zu rütteln.
Wie begründet Moody's seinen „negativen Ausblick“?
Die Bonitätswächter nennen mehrere Gründe, warum sie derzeit vorsichtiger auf Deutschlands Top-Kreditwürdigkeit schauen. Die Unsicherheit steige, wie sich die Schulden- und Vertrauenskrise im Euro-Währungsraum entwickelt.
Ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone sei wahrscheinlicher geworden, glauben die Experten. Trete dieses Szenario ein, würden sich die Turbulenzen in Sorgenländern wie Spanien und Italien verstärken.
Auch wenn Griechenland den Euro behalte, bräuchten Spanien und Italien wohl mehr Hilfe von den Europäern, erklärt Moody's. Dann seien vor allem die finanzkräftigen Staaten – eben Deutschland, die Niederlande und Luxemburg – gefragt.
Die Europäer gewähren klammen Ländern Notkredite aus dem Euro-Rettungsfonds. Dessen Manager leihen sich die benötigten Summen an den Finanzmärkten, also bei Banken oder Versicherern. Die Manager erhalten dort relativ günstig Geld, da finanzstarke Euro-Staaten wie Deutschland für den Euro-Nottopf bürgen.
Moody's erwartet zudem Probleme für die deutsche Bankenbranche, wenn sich die Euro-Krise noch weiter verschärft. Schließlich tätigten die Geldinstitute viele Geschäfte in kriselnden Euro-Ländern, vor allem in Spanien und Italien.
Kommen diese Sorgen unerwartet?
Nein. Nicht nur in Deutschland warnen Politiker und Wirtschaftswissenschaftler seit längerem, dass Deutschland im Krisenkampf nicht unbegrenzt belastbar ist.
Schon im Januar hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Gespräch mit mehreren europäischen Zeitungen gewarnt: „Wir sind solidarisch, dürfen aber auch die Eigenverantwortung nicht vergessen." Die Deutschen müssten aufpassen, dass ihnen bei der Euro-Rettung „am Schluss nicht auch die Kraft ausgeht“.
Bisher haben die Europäer fünf der 17 Euro-Staaten Notkredite aus dem Rettungsfonds zugesagt: den kleineren Staaten Griechenland, Irland, Portugal und Zypern, aber auch dem deutlich größeren Spanien. Spekulationen kursieren, dass zudem Italien oder Slowenien Finanzhilfe brauchen könnten.
Nackter Feuerwehr-Protest
Deutschlands Kreditwürdigkeit ist nach wie vor Spitze
Wie gut steht Deutschland da?
Deutschland verfehlt beim Schuldenstand die EU-Vergaben deutlich. Die Schulden der Bundesrepublik wuchsen bis Ende März im Jahresvergleich von 2,06 auf 2,11 Billionen Euro, so das EU-Statistikamt Eurostat.
Diese Summe entspricht 81,6 Prozent der deutschen Jahres-Wirtschaftsleistung. Erlaubt ist eigentlich ein Schuldenstand von höchstens 60 Prozent. Im Schnitt betrug der Schuldenstand in der EU 83,4 Prozent.
Dennoch gilt Deutschland als Wachstumsmotor für Europa. Ungeachtet der Krise wächst die Wirtschaftsleistung weiter – anders als in anderen europäischen Ländern.
Aus deutscher Sicht profitiert die Wirtschaft von Europa. Schließlich liefern deutsche Unternehmen etwa 60 Prozent ihrer Exporte in EU-Staaten. Diese Verflechtung bedeutet jedoch, dass die Krise in Staaten wie Spanien und Italien bei deutschen Unternehmen Spuren hinterlässt. Kurz: Geht es Europa schlecht, kann es Deutschland nicht gut gehen.
Allerdings verkaufen deutsche Unternehmen mehr Waren und Dienstleistungen in andere europäische Staaten, als sie von dort importieren. Diese Schieflage im EU-Handel gilt einigen Experten als eine Ursache der Euro-Krise.
Hat das Moody's-Urteil Folgen?
Eher nein. Denn die Experten beurteilten Deutschlands Kreditwürdigkeit immer noch als Spitze. Anleger sehen das ähnlich. Ihnen gilt Deutschland als „sicherer Hafen“ - anders als Staaten wie Spanien oder Italien.
Viele Investoren möchten daher der Bundesrepublik als Euro-Sorgenstaaten Geld borgen. Die Folge: Leiht sich Deutschland derzeit Geld, muss der Staat kaum oder keine Zinsen zahlen. Teilweise verdient er sogar daran. Denn Anleger zahlten der Bundesrepublik schon Geld, um ihr Kredit zu geben. In der Fachsprache heißt das „negative Zinsen“.
Nicht alle Investoren kaufen jedoch deutsche Staatsanleihen. Der größte europäische Versicherer Allianz sucht gewinnträchtigere Möglichkeiten, um das Geld seiner Kunden zu mehren. Schon im Juni hatte die Allianz erklärt, der Kauf deutscher Anleihen lohne sich derzeit nicht.