Berlin. Die Mordserie der rechtsradikalen Terrorbande NSU bestimmt den Verfassungsschutzbericht 2011. Bis zum Herbst will Minister Friedrich Eckpunkte für eine Reform des Verfassungsschutzes vorlegen. Der scheidende Behördenpräsident Fromm geht mit seinen Kollegen hart ins Gericht.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich will bis zum Herbst Eckpunkte für eine umfassende Reform des Verfassungsschutzes vorlegen. Dies kündigte der CSU-Politiker am Mittwoch bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2011 in Berlin an. Zugleich wies Friedrich Forderungen nach einer Abschaffung der krisengeschüttelten Behörde zurück. "Der Verfassungsschutz ist ein unverzichtbares Frühwarnsystem." Die Bedrohung Deutschlands durch Extremismus, Terrorismus und Cyber-Angriffe nehme zu.
Nach der Pannenserie im Fall des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) sei das Ansehen des Verfassungsschutzes beschädigt, räumte Friedrich ein. Nunmehr gelte es, das Vertrauen in die Behörde wieder herzustellen. Daher solle nach der Erarbeitung der Eckpunkte eine Reform "zügig" vorangetrieben werden. Insbesondere will der Minister die "Zentralfunktion" des Bundesamtes gegenüber den Landesämtern stärken. Friedrich zeigte sich auch offen für Vorschläge, die Organisation zu straffen und kleine, ineffiziente Ämter zusammenzulegen. Dazu müsse es aber noch Gespräche mit den Ländern geben. Der Minister erwartet, dass der neue Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, die Veränderungen "konsequent" durchsetzt.
Fromm geht mit Behörde hart ins Gericht
Der 49-jährige Maaßen, der bisher Stabschef für Terrorismusbekämpfung im Innenministerium war, folgt am 1. August dem langjährigen Präsidenten des Verfassungsschutzes, Heinz Fromm, im Amt. Das beschloss am Mittwoch das Bundeskabinett. Fromm hatte seinen vorzeitigen Rückzug angekündigt, als bekannt wurde, dass ein Beamter seines Amtes wichtige Akten zur Zwickauer Terrorzelle geschreddert hatte, noch nachdem die Terrororganisation im November 2011 aufgeflogen war.
Dies sei kein gewöhnlicher Fehler gewesen, sagte Fromm am Mittwoch zu dem brisanten Vorgang und ging mit seiner Behörde erneut hart ins Gericht: "Die Besonderheit war, dass der Fehler über ein halbes Jahr vertuscht worden ist." Laut dem scheidenden Geheimdienstler ist das Disziplinarverfahren gegen jenen Referatsleiter noch nicht abgeschlossen. Verfahren seien auch gegen zwei ihm Vorgesetzte eingeleitet worden.
Fromm stand zwölf Jahre an der Spitze des Amts. Friedrich dankte ihm für seine Arbeit und Loyalität. Er betonte, der Verfassungsschutz habe maßgeblichen Anteil daran, dass seit 2001 sieben Anschlagsvorbereitungen mit islamistischem Hintergrund vereitelt werden konnten. Zudem habe man durch Erkenntnisse der Geheimdienstler vermocht, Vereine von gewaltbereiten Muslimen, aber auch rechtsextremistische Organisationen zu verbieten.
Warnung vor Salafisten
"Es gab aber auch Misserfolge", räumte der Innenminister ein. Der "größte" sei das "Nichtentdecken des NSU" gewesen. Tatsächlich enthält der Verfassungsschutzbericht 2010 noch keinen Hinweis auf die Gefahr des Rechtsterrorismus. In dem neuen Bericht warnt die Sicherheitsbehörde nun vor möglichen Nachahmern des NSU. Es sei nicht auszuschließen, "dass Einzelne diese Taten sich zum Vorbild nehmen könnten und ähnlich agieren könnten", sagte Fromm. "Hier ist hohe Aufmerksamkeit gefordert." Laut dem Bericht nimmt die Zahl von Neonazis und gewaltbereiten Rechtsextremisten zu. Die Mitgliederzahl rechtsextremistischer Parteien gehe hingegen zurück.
Auch in der linksautonomen Szene gebe es eine zunehmende Gewaltbereitschaft, sagte Fromm. Die Bedrohung durch islamistische Extremisten bestehe zudem unverändert fort - "von ihr geht die größte Gefahr aus". Insbesondere sei ein starker Zulauf bei den radikalen Salafisten zu verzeichnen, die in Deutschland inzwischen 3.800 teils gewaltbereite Anhänger hätten. (dapd)