Berlin. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich will hart durchgreifen: Der Skandal um den Verfassungsschutz, wo Unterlagen über mutmaßliche Neonazis im Reißwolf landeten, soll laut Friedrich umfassend aufgeklärt werden. Sein Vorgänger forderte eine “grundlegende Reform“ des Dienstes.
Im Verfassungsschutz-Skandal kündigt Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ein hartes Durchgreifen an: "Dort, wo es absichtliche Verfehlungen gegeben hat, werden knallharte Konsequenzen gezogen", sagte Friedrich der "Bild am Sonntag". Bestürzt zeigte sich Friedrich über die umstrittene Aktenvernichtung beim Inlandsgeheimdienst: "Ich bin fassungslos über diesen Vorgang." Bislang gebe es nur Erklärungsansätze für das Verhalten des Mitarbeiters des Verfassungsschutzes.
Friedrich kündigte eine schonungslose Aufklärung der Vorgänge an: "Durch die Aktenvernichtung wird allen Vorurteilen und Verschwörungstheorien gegen den Verfassungsschutz Nahrung gegeben. Die Angehörigen, die ja zum Teil selbst unter Verdacht standen, erwarten zurecht, dass alles genau untersucht wird."
Schily fordert "grundlegende Reform" des Verfassungsschutzes
Der Verfassungsschutz muss nach Einschätzung des früheren Bundesinnenministers Otto Schily grundlegend reformiert werden. Dringend erforderlich sei, "durch die Stärkung der Bundeskomponente den Informationsfluss über die Ländergrenzen hinweg zu verbessern", sagte der SPD-Politiker zu dapd. Dies sei "vor allem notwendig, wenn wir es mit überregionalen Phänomenen wie Terrorismus und organisierter Kriminalität zu tun haben".
Hintergrund ist die beispiellose Pannenserie des Verfassungsschutzes im Fall des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU). Kürzlich wurde bekannt, dass die Behörde Akten zum NSU geschreddert hatte, nachdem die Terroristen im November 2011 aufgeflogen waren. Den deutschen Sicherheitsbehörden war es nicht gelungen, die Terrorgruppe aufzuspüren, die über ein Jahrzehnt lang im Untergrund agierte, zehn Menschen ermordete sowie Anschläge und Banküberfälle verübte.
Trotz aller Notwendigkeit sieht es nicht gut aus für Reformen
Schily sagte weiter, er habe bereits als Minister "auf das Problem der Zersplitterung des Verfassungsschutzes hingewiesen und vorgeschlagen, die 16 Landesämter in das Bundesamt als dezentrale Stellen einzugliedern". Er habe eine grundlegende Reform jedoch gegen den Widerstand der Länder nicht realisieren können.
"Die Chancen, meine Pläne bei den Bundesländern durchzusetzen, waren damals gleich Null", sagte der frühere Innenminister und fügte hinzu: "Leider dürfte das heute nicht viel besser sein." Gleichwohl halte er eine "straffere Organisation" des Verfassungsschutzes weiterhin für notwendig.
Forderungen nach einer Abschaffung des Verfassungsschutzes wies Schily entschieden zurück. "Ein solcher Schritt wäre Unsinn", sagte er. "Wir können auf den Verfassungsschutz nicht verzichten." (dapd)