München. Das bayerische Kabinett hat eine Klage gegen den Länderfinanzausgleich beschlossen. In einer Vorlage für die Sitzung wird eine Klage laut einem Medienbericht als unumgänglich bezeichnet. NRW hält die Klage gegen Länderfinanzausgleich für unsolidarisch

Die nordrhein-westfälische Landesregierung bezeichnet die von Bayern geplante Klage gegen den Länderfinanzausgleich als unsolidarisch. Bayern sei von 1950 bis 1986 ausschließlich Nehmerland gewesen, sagte Finanz-Staatssekretär Rüdiger Messal am Dienstag in Düsseldorf. "Jetzt, wo sie nicht mehr profitieren, klagen sie. Das hat nichts mit Solidarität zu tun." Die CSU brauche offenbar ein populäres Thema im Wahlkampf.

Die Klage Bayerns gegen den Länderfinanzausgleich erzürnt die norddeutschen Bundesländer. Sie warfen dem Freistaat am Dienstag unsolidarisches Verhalten vor. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hingegen verteidigte den Schritt. Am Dienstag beschloss erwartungsgemäß das schwarz-gelbe Kabinett in München die Klage, wie aus Regierungskreisen verlautete.

"Wir wollen die Klage jetzt vorbereiten und zum Ende des Jahres einreichen", sagte Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) am Dienstag in München. Das derzeitige System sei intransparent, ungerecht und leistungsfeindlich. Andere Länder leisteten sich mit dem Geld Dinge, die der Freistaat sich verkneife. "Wir rechnen frühestens 2014 mit einer Entscheidung", sagte Zeil.

Finanzminister Markus Söder (CSU) zeigte sich überzeugt, dass Bayern am Ende weniger bezahlen werde. "Jetzt reicht es, wir haben lange geredet und vieles versucht, jetzt muss gehandelt werden", sagte er. "Wir sind solidarisch, aber blöd sind wir nicht", fügte er hinzu. Ein neues System müsse deutlich mehr Anreize für Schuldenabbau und sparsame Haushaltsführung schaffen. Die Klage werde nun gemeinsam von Staatskanzlei, Finanzministerium und Wirtschaftsministerium vorbereitet.

Nach dem derzeitigen System schätzt Söder die Zahlungen Bayerns in den Länderfinanzausgleich allein für die kommenden beiden Jahre auf zusammen 8,2 Milliarden Euro. In den vergangenen Jahren sei der Anteil Bayerns stetig gestiegen. Im vergangenen Jahr habe Bayern mit 3,66 Milliarden Euro mehr in den Topf gezahlt als es in den vergangenen 40 Jahren erhalten hat. In diesem Jahr liege der Beitrag des Freistaates bei knapp 3,7 Milliarden Euro. Damit zahle Bayern mehr als die Hälfte der Gesamtsumme des Länderfinanzausgleichs.

Bayern hat jahrzehntelang vom Ausgleich profitiert

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) hat "überhaupt kein Verständnis für eine solche Klage". Der SPD-Politiker warf Seehofer im "Hamburger Abendblatt" (Dienstagausgabe) vor, im Vorfeld der Landtagswahl in Bayern "wieder einmal auf Spaltung statt auf Gemeinsamkeit in Deutschland" zu setzen". Sellering wies darauf hin, dass Bayern fast 40 Jahre vom Länderfinanzausgleich profitiert habe. "Ich finde es unmöglich, wenn nun ausgerechnet dieses Land die Solidarität in Deutschland infrage stellt und die bis 2019 fest vereinbarten Regelungen aufkündigen will", beklagte der Schweriner Regierungschef. Das belaste auch die Gespräche darüber, wie es nach dem Auslaufen des jetzigen Länderfinanzausgleichs weitergehen soll."

Die schleswig-holsteinische Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) äußerte sich ähnlich. "Für die Aufgabe, die strukturelle Neuverschuldung bis zum Jahr 2020 auf null zu reduzieren, ist ein verlässlicher Rahmen durch den geltenden Länderfinanzausgleich unverzichtbare Voraussetzung", sagte Heinold der Nachrichtenagentur dapd in Kiel. Die Regelungen des geltenden Länderfinanzausgleichs haben bis zum Jahr 2019 ihre Gültigkeit.

Saarland und Bremen erwägen Gegenklage

Es sei jedoch an der Zeit, um zwischen den Ländern und dem Bund über die Gesamtheit der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zu verhandeln, sagte Heinold. Sie fügte hinzu: "Ich habe dafür zwei Leitlinien. Zum einen natürlich die Solidarität aller Bundesländer. Zum anderen brauchen wir aber auch ein Anreizsystem, das es für Geber- und Nehmerländer attraktiver macht, ihre Einnahmen zu steigern." Klageverfahren seien hingegen nicht förderlich.

Bremens Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) sieht einer möglichen Klage Bayern gelassen entgegen. "Wir fürchten die Klage nicht", sagte Linnert im Deutschlandradio Kultur. Bei dem Länderfinanzausgleich handele es sich um "einen Rechtsanspruch und nicht um ein Almosen". Bremen sei unverschuldet in die Haushaltsnotlage geraten. Bayern sei früher selbst auf Hilfe angewiesen gewesen und habe das Bewusstsein dafür verloren, wie "reich und privilegiert" es sei, sagte Linnert.

Bremen erwäge, sich einer möglichen Gegenklage des Saarlandes anzuschließen, fügte sie hinzu. Dabei gehe es um Ungleichheiten in der bundesweiten Mittelverteilung etwa im Bereich der Kohleförderung oder der Landwirtschaft. Das bayerische Kabinett will am Dienstag über das weitere Vorgehen entscheiden.

So sieht der Länderfinanzausgleich aus

Angesichts der Zurückhaltung de weiteren Geberländer Baden-Württemberg und Hessen erwägt Bayern auch eine alleinige Klage. Der Fraktionschef der CSU im bayerischen Landtag, Georg Schmid, hat seine Partei aufgefordert, auch ohne die Unterstützung anderer Geberländer für eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. "Notfalls müssen wir auch allein klagen", sagte Schmid "Welt". (dapd)

Das sind die größten Einzahler

Seit Beginn des Länderfinanzausgleichs 1950 haben folgende Länder mehr in das System eingezahlt, als sie erhalten haben: Baden-Württemberg: 49,9 Milliarden Euro

Das sind die größten Einzahler

Hessen: 45,9 Milliarden Euro

Das sind die größten Einzahler

Bayern: 34,9 Milliarden Euro

Das sind die größten Einzahler

Nordrhein-Westfalen: 16,8 Milliarden Euro

Das sind die größten Einzahler

Hamburg: 11,7 Milliarden Euro

Das sind die Profiteure

Mehr aus dem Länderfinanzausgleich erhalten als eingezahlt haben diese Länder: Saarland: 6,6 Milliarden Euro

Das sind die Profiteure

Mecklenburg-Vorpommern: 7,6 Milliarden Euro

Das sind die Profiteure

Brandenburg: 9,2 Milliarden Euro

Das sind die Profiteure

Schleswig-Holstein: 9,2 Milliarden Euro

Das sind die Profiteure

Thüringen: 9,7 Milliarden Euro

Das sind die Profiteure

Sachsen-Anhalt: 10,0 Milliarden Euro

Das sind die Profiteure

Bremen: 10,5 Milliarden Euro

Das sind die Profiteure

Rheinland-Pfalz: 11,5 Milliarden Euro

Das sind die Profiteure

Sachsen: 17,3 Milliarden Euro

Das sind die Profiteure

Niedersachsen: 22,4 Milliarden Euro

Das sind die Profiteure

Berlin: 45,4 Milliarden Euro

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