Noch ist fast alles möglich in Durban. Nur, dass die USA noch entscheidend mitmachen, damit rechnet keiner mehr. Bei China und den anderen Schwellenländern aber hoffen die Klimaschützer noch.

Die USA spielen auf der Weltklimakonferenz in Durban keine Rolle mehr. Niemand rechnet damit, dass sie irgendetwas unterzeichnen. Stattdessen ringt eine Koalition der Willigen darum, den Bremser China zum Einlenken zu bewegen. Ziel ist ein neues Klimaabkommen, das wohl erst in einigen Jahren in Kraft treten könnte. Deutschland und die EU ergreifen die Initiative: Sie haben über 120 Staaten, die vom Klimawandel besonders betroffen sind, an ihrer Seite. Vom Scheitern bis zum Erfolg – alles ist möglich.

Was kommt am Ende raus? „Von mir aus kann die Konferenz länger dauern“, sagt Taxifahrer Ernest und grinst. Tag für Tag lässt er seine Fahrgäste vor dem Konferenzzentrum in der Innenstadt von Durban aus seinem verbeulten Toyota. Der Weltklimagipfel ist ein lohnendes Geschäft, Ernest sieht blendend aus. Doch die Klimadiplomaten, die er fährt, können vor Müdigkeit kaum noch aus den Augen schauen.

Es ist die Kern- und Schicksalsfrage der Durban-Konferenz: Wie geht es weiter in der Klimapolitik? Nur noch ein Tag und eine Nacht bleiben den Vertretern von über 190 Staaten, um ein Abkommen auszuhandeln.

Die Schicksalsfrage

Möglich sind mehrere Szenarien. Als „Wunder von Durban“ gilt die Verabschiedung eines Pakets: Das Kyoto-Protokoll, das Ende 2012 ausläuft, wird verlängert. Zudem werden Schlupflöcher im Dokument geschlossen. Gleichzeitig lassen sich wichtige Schwellenländer wie China, Brasilien oder Indien ab 2020 oder früher auf ein neues Abkommen ein. Realistischer ist das Zukunftsszenario, das in zwei Worten alles sagt: „No decision“ – keine Entscheidung.

Die Folgen wären fatal, warnte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU). Läuft das Kyoto-Protokoll, das bisher das einzige Abkommen ist, ohne Anschlussregelung aus, wäre internationale Klimapolitik nur noch eine leere Hülle. Röttgen hält es für undenkbar, wenn „eine Dekade lang Pause“ eingelegt werde. „Machen wir so weiter wie bisher, werden wir eine Wirtschaft haben, die mit einer Weltbevölkerung von sieben bis neun Milliarden Menschen nicht mehr kompatibel ist.“

Peking gibt Rätsel auf

Am Donnerstag machte in Durban ein Gerücht die Runde. China habe seinen Chefunterhändler beim Gipfel ausgetauscht. Sein Nachfolger sei derjenige, an dem sich 2009 beim gescheiterten Klimagipfel in Kopenhagen viele Delegationen die Zähne ausgebissen hatten. „Er ist ein Hardliner“, sagt Christoph Bals, Klimaexperte der Entwicklungsorganisation Germanwatch.

China, der weltgrößte CO2-Produzent, gibt wie schon in den vergangenen Jahren immer wieder Rätsel auf. Widersprüchliche Signale sendet der Riese. Ja, Peking wolle sich unter Bedingungen ab 2020 einem Klimaabkommen unterwerfen, hatte Umweltminister Xie Zenhua zur Halbzeit der Konferenz gesagt. Später wurde daraus ein „vielleicht“.

Für Todd Stern, Chef der US-Delegation, liegt auf der Hand, dass ohne China gar nichts geht: Es sei absolut klar, dass ein verbindlicher Vertrag nur unter Beteiligung der wichtigsten Akteure möglich sei. „Und China gehört definitiv dazu.“

Dem deutschen Sozialdemokraten Jo Leinen, der in Durban die Delegation der EU-Parlamentarier anführt, platzte da der Kragen: „Es ist frustrierend, dass diese Konferenz wieder einmal vom Ping-Pong-Spiel zwischen den USA und China in Geiselhaft genommen wird.“

Die Allianz der Retter

Norbert Röttgen schwitzt. Immer wieder muss er seine Rede über die Energiewende in Deutschland unterbrechen, um sich mit einem Tuch die Schweißtropfen abzuwischen. Der deutsche Umweltminister kämpft für einen Durchbruch in diesen stockenden Klimaverhandlungen. Er wird so deutlich wie nie zuvor auf der Bühne einer UN-Klimakonferenz. Ohne die USA beim Namen zu nennen, spricht er der Supermacht die Fähigkeit ab, zu führen. Röttgen: „Die US-Delegation wird hier in Durban nichts mehr bewegen können.“

„Name and shame“ – an den Pranger stellen – heißt die Strategie. Mit ihr soll die Blockade-Haltung der sogenannten BASIC-Gruppe (China und die Schwellenländer Indien, Brasilien, Südafrika) aufgebrochen werden.

Deutschland, die Europäische Union und auch Gastgeber Südafrika haben dazu eine Allianz der Willigen und der Betroffenen geschmiedet. Zur letzteren zählen die afrikanischen Staaten oder die pazifischen Inselstaaten, die vom Klimaproblem besonders betroffen sind. Gemeinsam will das Bündnis China dazu bewegen, einem Abkommen doch noch zuzustimmen.

„Peking weiß, dass China ganz besonders unter den Folgen der Klimaveränderung leiden wird“, sagt Germanwatch-Experte Christoph Bals. Norbert Röttgen ist überzeugt: „Niemand will am Ende derjenige sein, dem die Schuld am Scheitern der Konferenz gegeben wird.“ Lenke China ein, würden früher oder später Indien oder Brasilien folgen. Am Ende würde der Hebel dann dort ansetzen: die USA wären isoliert.