Düsseldorf. . Christian Lindner hat im Bundestag für die Rettung verschuldeter Euro-Länder gestimmt. Der neuen Landesregierung in Düsseldorf will er Schulden gar nicht erst durchgehen lassen. Der FDP-Chef erklärt im Interview, warum das kein Widerspruch sein soll.

Christian Lindner (33) ist wieder ganz in Nordrhein-Westfalen angekommen. Der neue FDP-Landeschef hat sein Bundestagsmandat niedergelegt und wird seinen Hauptwohnsitz in den Düsseldorfer Norden verlegen. Im Gespräch mit unserer Zeitung kritisiert der Liberale den Start der rot-grünen Landesregierung.

Eine Ihrer letzten Amtshandlungen als Bundestagsabgeordneter war die Zustimmung zu den Euro-Gipfelbeschlüssen der Kanzlerin. Wie schwer ist sie Ihnen gefallen?

Christian Lindner: Der Bundestag hat den Fiskalvertrag und den ESM beschlossen. Das ist ein Schritt in Richtung europäischer Stabilitätsunion, weil Hilfen an Reformen gebunden werden. Die jüngsten Gipfelbeschlüsse müssen konkretisiert werden. Die stabilitätsorientierte Politik darf nicht relativiert werden, die Reformanstrengungen nicht gebremst. Die Verhandlungsposition Deutschlands war durch SPD und Grünen erschwert worden. Rot-Grün fordert Wachstumspolitik in Europa, worunter sie vor allem staatliche Konjunkturprogramme verstehen, obwohl die Agenda 2010 gezeigt hat, dass nachhaltiges Wachstum nur durch marktwirtschaftliche Reformen entsteht. Dadurch ist die Bundeskanzlerin beim Brüsseler Gipfel in eine Zangenbewegung aus deutscher Opposition und südeuropäischen Ländern geraten.

Der Staat muss mit dem Geld auskommen, das er hat

Nun haben Sie sich ganz der Landespolitik verschrieben mit kleineren Themen als der Euro-Rettung…

Lindner: NRW ist nicht minder relevant. Wenn wir uns die strukturellen Gründe der Euro-Krise anschauen, finden wir uns bei der landespolitischen Richtungsfrage. Die Krise Europas ist die Krise der Ausdehnung des Wohlfahrtsstaats auf Pump. Der Staat muss endlich mit dem Geld auskommen, das die Bürger ihm zur Verfügung stellen. In NRW setzt Rot-Grün aber die Schuldenpolitik fort.

Warum beschließt Schwarz-Gelb im Bund dann das umstrittene Betreuungsgeld, das neue Millionenlöcher in die öffentlichen Haushalte reißt?

Lindner: Meine Bedenken sind bekannt. Weder das Betreuungsgeld noch die Ausweitung des beitragsfreien Kindergartens in NRW passen in die Zeit. Die FDP-Fraktion empfiehlt, beide Vorhaben zurückzustellen, bis die Haushalte ausgeglichen sind und der U3-Ausbau abgeschlossen ist.

Der Schuldenabbau hat Vorrang

Wie stehen Sie zum diskutierten gemeinsamen Schuldenmanagement von Bund und Ländern, das NRW künftige erhebliche Entlastungen bringen könnte?

Lindner: NRWs Finanzminister kalkuliert bereits mit Einsparungen von einer Milliarde Euro pro Jahr durch gemeinsame Anleihen mit dem Bund. Ich sehe eine Zinssubvention skeptisch. Aber wenn es zur Entlastung bei den Kreditkosten des Landes kommen sollte, muss diese komplett in den Schuldenabbau fließen. Es kann nicht sein, dass Rot-Grün im Windschatten des Bundes die eigene Haushaltsdisziplin vernachlässigt.

In der NRW-Wirtschaft kommt SPD-Ministerpräsidentin Kraft inzwischen gut an.

Lindner: Persönliche Sympathie und politische Ergebnisse sollte man unterscheiden. Das zeigt diese Woche: Der rote Wirtschaftsminister darf ein Mittelstandsgesetz einbringen, das den Dialog mit den Betrieben verbessern soll. Im Alltag entscheidend ist aber das zeitgleich diskutierte Klimaschutzgesetz. Mit diesem Machtinstrument greift der grüne Umweltminister tief in das Wirtschafts- und Privatleben ein, obwohl es ökologisch unwirksam ist. Der angeblich wichtige Dialog mit der Wirtschaft ist da unwichtig. Dem Wirtschaftsminister bleiben Symbole, der Umweltminister hat das Sagen.

Bestes Beispiel: Bayers CO-Pipeline

Wie kommen Sie darauf?

Lindner: Der Umweltminister bremst gerade ein wichtiges Investitionsvorhaben wie die Kohlenmonoxid-Pipeline des Bayer-Konzerns am Niederrhein, ohne dass die Ministerpräsidentin einschreitet. Mit staatlichen Gutachten sollen private Entscheidungen zensiert werden, die für den Chemiestandort und Tausende Arbeitsplätze wichtig sind.

Immerhin hat Kraft die Energiewende zur Chefinnen-Sache gemacht.

Lindner: Die SPD hält wie die Grünen am Erneuerbare-Energien-Gesetz fest. Aber die durch das EEG für Investoren 20 Jahre garantierte Vergütung in Verbindung mit dem Einspeisevorrang alternativer Energie ist ­ge­fährlich – für Netzstabilität und Strompreise. Der Bundespräsident hat zu Recht vor Planwirtschaft gewarnt, die konventionelle Kraftwerke unwirtschaftlich macht, obwohl gerade der Industriestandort NRW noch für Jahrzehnte auf sie angewiesen sein wird. Sinnvoller wäre ein marktwirtschaftliches Modell, das die Energiewende nicht in Frage stellt, aber durch Wettbewerb die jeweils effizienteste alternative Energie fördert.

Die FDP ist bereit, mit Rot-Grün zu sprechen

Für geplante Verfassungsänderungen wie die Absenkung des Wahlalters auf 16 oder der Hürden für Volksbegehren spekuliert Rot-Grün auf die Zustimmung der FDP. Sind Sie gesprächsbereit?

Lindner: Wir betreiben keine Fundamentalopposition und werden uns Gesprächen über Änderungen der Landesverfassung nicht verweigern. Priorität hat für uns die Verankerung einer wirksamen Schuldenbremse. Schnittmengen gibt es bei der Absenkung von Hürden bei Volksbegehren, skeptisch bin ich beim Wählen mit 16, da für mich auf Landesebene Volljährigkeit und Wahlberechtigung zusammengehören.