Dortmund. Der bisherige Landesvorsitzende Michele Marsching fiel bei den Wahlen durch. Sein Nachfolger, ein Software-Entwickler lobt dennoch dessen Arbeit und will selbst vieles “wegdelegieren“.

Die NRW-Piraten haben auf ihrem Landesparteitag in Dortmund einen neuen Vorsitzenden gewählt. Sven Sladek aus Soest setzte sich mit 274 von 483 Stimmen gegen sechs Mitbewerber durch – darunter der bis dato amtierende Piraten-Chef Michele Marsching. Dieser erhielt lediglich 119 Stimmen, ein desatröses Wahlergebnis für den NRW-Landtagsabgeordneten.

Dass sich Marsching wohl in seinem Amt nicht halten würde, zeichnete sich jedoch schon sehr früh im Dortmunder Dietrich-Keuning-Haus ab. Marschings Rede zur Wiederwahl geriet weniger zu einer Bewerbungs- denn zu einer Verteidigungsrede. So wies der 34-Jährige unter anderem die Kritik aus den eigenen Reihen zurück, er sei ein „macht – und mediengeiler Karrierist.“

Harte Worte beim "Kandidatengrillen"

Abgewählt: Der bisherige Parteichef der NRW-Piraten, Michele Marsching bekam dennoch Lob von seinem Nachfolger. (dapd)
Abgewählt: Der bisherige Parteichef der NRW-Piraten, Michele Marsching bekam dennoch Lob von seinem Nachfolger. (dapd)

Die anschließende Fragerunde, im Piratenjargon auch „Kandidatengrillen“ genannt, machte ihrem Namen dann auch alle Ehre. Fast einhellig wurde Marsching bescheinigt, er könne besonders durch die Doppelbelastung mit seinem Landtagsmandat und seiner noch andauernden Elternzeit zu wenig in die Vorstandsarbeit einbringen. Auch mit dem Argument, er habe in Zukunft deutlich mehr Zeit für seine Vorstandsaufgaben, stieß er auf Widerstand. Er solle doch die frei werdende Zeit lieber in seine Arbeit in der Fraktion investieren, konterten seine Kritiker.

Dem Umstand, dass sich das Ende seiner Vorstandskarriere anbahnte, war sich Marsching jedoch durchaus bewusst. „Ich weiß, dass ich nicht gewählt werde“, sagte der zumindest nach außen hin unbeschwert wirkende Piraten-Chef nur wenige Augenblicke später im Pressebereich – lange bevor die Auszählung vorbei war. Die Kritik schmerze ihn nicht. „Das muss man halt aushalten“, sagte er.

Der neue Chef lobt die Arbeit des scheidenden

Auch sonst schien Marsching mit sich und seiner Arbeit im Reinen. Zu den Erfolgen seiner Ägide zählt Marsching, die Streitschlichtung bei der Diskussion, wie die innerparteilichen Strukturen auszurichten seien, was besonders bei den rasant gewachsenen Mitgliederzahlen eine nicht ganz einfache Angelegenheit gewesen sei. Außerdem habe sich die Öffentlichkeitsarbeit der Piraten verbessert.

Der neu gewählte Sladek schloss sich dieser Auffasung an. „Marsching hat einen guten Job gemacht“, lobte der 41-jährige Anwendungsentwickler seinen Vorgänger. Der sich selbst politisch als sozial-liberal bezeichnende Sladek sieht seine Hauptaufgabe nun vor allem darin, die NRW-Landtagsfraktion und den Landesverband enger zu vernetzen und den Austausch zu fördern.

So hatte auch Marsching argumentiert, der sich selbst als Bindeglied einbringen wollte. Beide sind sich darin einig, dass durch die Ankunft einiger Piraten im realen Politikbetrieb nun durchaus eine Entfremdung zwischen der Basis und den Fraktionspolitikern drohen könnte. Besonders an Fragen der Mitbestimmung und an politischen Statements ihrer Partei-Promis zu noch nicht offiziell beschlossenen Inhalten entzündet sich oftmals der Zorn der Basis. Dies zeigte sich nicht zuletzt an dem Antrag zu einem Parteitagsbeschluss, den einige NRW-Landtagsabgeordnete um den Fraktionschef Joachim Paul spontan am Nachmittag einbrachten. Darin sollte es um die Ablehnung „jedweder Verschärfung des Nichtraucherschutzes“ gehen. Dieser Schnellschuss ging jedoch deutlich nach hinten los. Die Basis fühlte sich gegängelt, es entstand eine hitzige und lautstarke Debatte, in der sich bei diesem polarisierenden Thema tiefe Gräben innerhalb der Partei offenbarten.

Neue Schatzmeisterin soll chaotische Parteifinanzen ordnen

Nicht mit tiefen Gräben aber mit einer riesigen Baustelle muss sich auch die neu gewählte Schatzmeisterin Stephanie Noether beschäftigen. Die erst im April 2012 zu den Piraten gestoßene Krefelderin muss die chaotischen NRW-Finanzen der Piraten in den Griff kriegen. Dort liegt einiges im Argen, in der internen Buchhaltung soll es Unregelmäßigkeiten gegeben haben. Etliche Vertreter von Orts- und Kreisverbände beklagten, ihre Geld sei irgendwo auf den internen Konten des Landesverbandes versickert. Außerdem gilt es für die Bilanzbuchhalterin Noether offene Mitgliedsbeiträge einzutreiben.

Sladek hat eigentlich keine Zeit "für so'n Scheiß"

Dem neuen NRW-Vorstand, der am Sonntag komplettiert werden soll, steht also eine Menge Arbeit ins Haus, besonders auch im Hinblick auf den Bundestagswahlkampf 2013. Die Partei scheint jedoch gewillt, ihre Professionalisierung weiter voran zu treiben – auch wenn immer wieder Indizien darauf hindeuten, dass den Piraten bis dahin noch ein langer Weg bevorsteht.

Bestes Beispiel dafür ist die Beründung Sven Sladeks zu seiner Kandidatur im internen Piraten-Wiki. Da heißt es nämlich: „Ich bin von diversen, mir wichtigen Leuten darum gebeten worden. Wenn ihr das unterstützt, seid euch gewiss das ich eigentlich keine Zeit hab für so'n Scheiß und massenhaft Arbeit wegdelegiere." Man darf gespannt sein.