Bochum. . Die Untersuchung der Ermittlungen zu den von der Terrorgruppe NSU begangenen Morde beweist: Bei den Ermittlungen sind teils unglaubliche Pannen passiert. Der Bochumer Kriminologe Thomas Feltes sieht die Ursache der Probleme vor allem in der föderalen Struktur Deutschlands.
Die juristische Aufarbeitung der rechtsextremistischen Mordserie erweist sich als schwierig, und auch die Untersuchung der Versäumnisse bei den Ermittlungsbehörden gestaltet sich langwierig. Heute setzt der Untersuchungsausschuss des Bundestages seine Zeugenbefragungen fort. Zu bisherigen Erkenntnissen befragte die Westfälische Rundschau den Bochumer Kriminologen Thomas Feltes.
Herr Feltes, Hamburger Polizisten haben für ihre Mordermittlungen einen iranischen Geisterbeschwörer zu Rate gezogen. Ist die Kristallkugel Bestandteil der Hochschulausbildung von Kriminalisten?
Thomas Feltes: Ganz sicher nicht. Diese Vorgehensweise macht deutlich, dass die Ermittler ganz offensichtlich mit ihrem „kriminalistischen Latein“ am Ende waren. Ich persönlich wäre auch vorsichtig, solchen Informationen Glauben zu schenken.
Beziehen Sie sich auf den Wert solcher Aussagen, oder zweifeln Sie an, dass es solche Versuche gab?
Feltes: Beides.
In der Kommunikation der Behörden untereinander, aber auch zwischen BKA und Politik hat es offenbar erhebliche Mängel gegeben. Sind das strukturelle Probleme?
Feltes: Generell sorgt unser föderales System dafür, dass wir 18 Polizeien haben: 16 Bundesländer, die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt. Hinzu kommt, dass Bund und Länder mit politisch unterschiedlicher Couleur regiert werden, so dass schon aus diesem Grund eine gewisse Tendenz immer vorhanden ist, Informationen erst einmal für sich zu behalten.
Wo sehen Sie die Schwachstelle?
Feltes: Vielleicht hat in dem konkreten Fall das BKA zu spät reagiert und das Verfahren an sich gezogen. Allgemein aber muss man sagen, dass die Polizei sich im Alltagsgeschäft recht gut austauscht; in dem konkreten Fall war das offensichtlich schwieriger – oder vielleicht auch nicht gewollt. Das werden die Untersuchungsausschüsse zu klären haben.
Hat der Vorwurf, auf dem rechten Auge blind zu sein, eine Berechtigung?
Feltes: Sicherlich hat man ganz offensichtlich diese Vorgänge von Beginn an falsch eingeschätzt. Dies hängt aber auch damit zusammen, dass der für sogenannte terroristische Taten übliche Ablauf mit Bekennerschreiben etc., wie wir es vom Linksterrorismus zum Beispiel der RAF kennen, hier nicht vorlag. Dennoch hatten ja einige der gescholtenen Kriminalisten das richtige Gespür, konnten dieser Spur aber nicht nachgehen.
Das ist erst im Rückblick so unfassbar?
Feltes: Man muss berücksichtigen, dass sich hier in Deutschland erstmals eine solche Mordserie von Rechtsextremen gezeigt hat. Ich bin mir recht sicher, dass Ermittlungsbehörden und Politik jetzt sensibilisiert sind und in Zukunft vielleicht genauer hinsehen werden – auch mit dem rechten Auge