Essen. Für die deutsche Öffentlichkeit ist die Sache klar: Beate Zschäpe ist die Nummer drei der Zwickauer Terrorzelle NSU. Dabei ist im Moment höchst ungewiss, ob ihr überhaupt irgendetwas nachgewiesen werden kann. Schon im August könnte Zschäpe freikommen.
Binnen weniger Tage haben Bagger das Haus Frühlingsstraße 26 im sächsischen Zwickau abgerissen. Es war die Ruine der Zuflucht des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU). Die Stadt will nicht, dass der Bau, in dem die rechtsextreme Zwickauer Zelle eine beispiellose Serie mit zehn Morden, 14 Bankrauben und dem Bombenattentat von Köln zu Ende führte, zum Pilgerort der braunen Szene wird.
Es zeichnet sich ab, dass die juristische Aufarbeitung der Taten weit komplizierter sein wird als der Abriss der letzten Bastion der Terrortruppe. Noch im Sommer oder im Herbst soll, in München oder Düsseldorf, angeklagt werden.
Das Verfahren steckt in einem empfindlichen Stadium
Acht Türken, darunter der Dortmunder Kioskbesitzer Mehmet Kubasik, ein Grieche und die Heilbronner Polizistin Michele Kiesewetter sind die Opfer. Aber das Verfahren steckt in einem empfindlichen Stadium. Weder die Bundesanwaltschaft noch Wolfgang Heer äußern sich. Heer ist Anwalt der in Köln einsitzenden Beate Zschäpe, der zentralen Figur. Sie ist die Überlebende des mutmaßlichen Mord-Trios. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die Männer, mit denen sie 13 Jahre zusammen lebte, hatten sich vor der Verhaftung getötet.
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Die Zurückhaltung der Verfahrensbeteiligten hat Gründe. Bundesgerichtshof und Ermittler streiten über viele strafrechtliche Bewertungen der Fahndungsergebnisse. Vier mögliche „Unterstützer“ durften die U-Haft verlassen. Nur noch Zschäpe und der frühere NPD-Mann Ralf Wohlleben sind hinter Gittern. So stellen die Richter fest, dass Holger G. die Taten in keiner Weise erleichtert oder gefördert habe, der Düsseldorfer Carsten S., Lieferant der Mordwaffe Ceska 83, allenfalls mit einer Jugendstrafe rechnen müsse, die Täter der Zelle selbst „im Einzelnen nicht ermittelt“ wurden.
Beate Zschäpe könnte schon im August frei kommen
Entscheidend wird die nächste U-Haftprüfung im August: Muss Beate Zschäpe im Gefängnis bleiben, wenn bis dahin nicht angeklagt wurde? Gemeinsam mit Böhnhardt und Mundlos habe sie eine „terroristische Vereinigung“ gebildet, glauben die Bundesanwälte. Sie soll in die Mordabsichten der Männer eingeweiht gewesen sein. Fahnder orteten auch Funkzellen von Handy-Gesprächen, die Zschäpe mit den Mitbewohnern in der Nähe der bundesweit gestreuten Tatorte führte. Aber die Verurteilung wird zur reinen Indizienfrage, wenn mindestens drei Personen zu so einer Vereinigung gehören müssen, die Männer tot sind und Zschäpe zu allen Vorwürfen schweigt.
Bleibt der rechte Terror also ohne spürbare Sühne? Oder wird seine Mandantin doch ihr Schweigen brechen? Auch dazu sagt Heer nichts, „ich bitte um Verständnis“.
Es wird nach Tatvorwürfen gesucht, die sich besser belegen lassen
So soll die Bundesanwaltschaft nach Medienberichten bereits weitere Anklagen erwägen, auch den Tatbestand des „versuchten Mordes“ in Betracht ziehen, weil Zschäpe nach dem Auffliegen der Zelle durch Sprengung des Hauses Frühlingsstraße den Tod einer älteren Nachbarin einkalkuliert habe.
Es ist die Stelle, an der der Fall brisant wird – und politisch. Die gegen Ausländer gerichtete Mordserie, aufgeflogen nach jahrelangen Fehl-Fahndungen, hat internationales Aufsehen erregt. Die türkische Regierung hat in Berlin mehrfach eine konsequente Strafverfolgung angemahnt. Müsste die Frau aus der U-Haft entlassen werden oder könnten am Ende im Prozess die Beweise fehlen, wären weltweit kritische Reaktionen zu erwarten.
So großer Aufwand – und so viele offene Fragen
Die späte Jagd nach den Terroristen war aufwändig. Bundeskriminalamt und Länderpolizeien haben bis jetzt 1218 Hinweise verfolgt. Die zeitweise mit 350 Beamten besetzte Sonderkommission hat 800 Personen vernommen, 5500 Asservate untersucht. Man hat – ohne Erfolg – Dutzende „Altfälle“ überprüft, ungeklärte Morde und Mordversuche wie den Anschlag auf den türkischen Gastwirt Y. 2003 in Duisburg und mysteriöse Brandstiftungen im Saarland.
Viele Fragen werden wohl offen bleiben: Warum gab es Zeitlücken zwischen den Morden? Hat das Trio nur von Banküberfällen gelebt? Und: Gab es unbekannte Helfer an den Tatorten?