Essen. . Unsere Geschichte „Lernt lieber Spanisch als Latein“ schlug hohe Wellen. Viele Fans und Feinde der alten Sprachen meldeten sich. Besonders beeindruckend: Sechstklässler des Grashof-Gymnasiums in Essen schrieben der Redaktion Briefe und trugen zig Argumente für Latein zusammen.

Diese WAZ-Geschichte schlug ein wie ein Pfeilhagel im Gallischen Krieg: „Lernt lieber Spanisch als Latein“. Was einige Arbeitgeber und Wissenschaftler fordern – die Hinwendung zu ­moderneren Fremdsprachen wie Spanisch, Chinesisch oder Türkisch – brachte manche Leser auf die Palme. Fans und Feinde der ­alten Sprache reagierten. Sie riefen an, schrieben Mails und Online-Kommentare. Besonders beein­druckend: die Leserbriefe der ­Lateinklasse 6a/6c des Grashof-Gymnasiums in Essen.

Eine ganze Klasse sagt „Nein“. Zu jenen, die meinen, Latein sei längst verrostet. Zu jenen, die Cicero, Caesar, Ovid und den „ablativus absolutus“ auf dem Müllhaufen der Sprachgeschichte wähnen. Die Mädchen und Jungen vom ­„Grashof“ haben zig Argumente für die alte Sprache aufgeschrieben. Mit Leidenschaft, mit Nachdruck und ohne Kompromisse.

„Latein ist nicht nur wichtig für viele Studienfächer, sondern auch eine ausgezeichnete Vorlage für viele Sprachen, zum Beispiel ­Spanisch, Italienisch und Fran­zösisch“, schreibt Chloé Coen. ­Miriam Kersten sagt: „Ich habe ­Latein mit großer Überzeugung als zweite Fremdsprache gewählt. Mir macht das Fach großen Spaß, weil ich dort viel über die alten Römer lerne und mein Sprachverständnis erweitern kann. Ausgefallene Sprachen wie Chinesisch oder Arabisch bringen nur dann etwas, wenn man sein Berufsziel schon klar definiert hat und dazu die Sprache zwingend benötigt.“

Spanisch-Schüler stehen mehr auf Lateinamerika als auf Latein

Latein ist nicht tot. Das findet auch Michelle Gießler. Sie glaubt, dass die lateinische Grammatik jedem Schüler auch im Deutschunterricht und beim Erlernen anderer Sprachen weiterhilft. Pia Witt meint: Jeder sollte selbst entscheiden, welche Sprache er lernen möchte. Für Geschichte, Medizin, Religion und viele andere Disziplinen sei Latein eine hervorragende Grundlage. Ähnlich sehen das in ihren Briefen Aleyna Sayin, Lina Schwarz, Tim Terschüren, Katha­rina Haarmann, Jannick Arndt, Leonhard Biergann, Conrad Halle und Moritz Elenz, Marlon Wienke sowie Anna Brinkmann.

Aurelia Furtwängler, die Lehrerin, ist stolz auf ihre Klasse. „Ich habe mit meinen Schülern sehr intensiv über den Artikel und die Sinnhaftigkeit des Lateinlernens gesprochen“, sagt sie. Das Urteil fällt eindeutig aus – in ihrer Gruppe.

Doch natürlich gibt es in den Schulen nicht nur „Latin-Lovers“. Das alte Rom und sein Idiom ­finden Katharina Köhne, Pauline Sander und Fernando Morón nicht sehr spannend. Die 15-Jährigen ­lernen Spanisch im Grashof-Gymnasium und stehen mehr auf Lateinamerika als auf Latein. In Teilen der Spanischklasse 9b/9c hat Latein einen schlechten Ruf, gilt als „tot“ und „langweilig“. „Spanisch wird überall auf der Welt gesprochen“, unterstreicht Luca Kraus. Katharina Köhne spricht neben Deutsch auch Rumänisch. „Das hilft mir bei Spanisch“, sagt sie. Den Umweg über Latein, den brauche sie nicht. Max Yano und Max Schmid finden es hingegen gut, ­zunächst Latein gelernt zu haben.

„Lernt lieber Spanisch als ­Latein“ ist für Spanischlehrerin ­Judith Minzenbach-Stief übrigens keine gelungene Botschaft. Sie empfiehlt: „Lernt doch beides.“