Düsseldorf. . Harry K. Voigtsberger (SPD) war als Minister für Wirtschaft integer, blieb aber etwas blass. Jetzt verzichtet der 61-Jährige überraschend auf einen Platz im neuen Kabinett und freut sich auf mehr Privatleben.

Als Harry Kurt Voigtsberger am Dienstagnachmittag kurzfristig zu einer Mitarbeiter­versammlung lädt, ahnen die ­wenigsten, dass dies der letzte Auftritt des NRW-Wirtschaftsministers sein würde. Der SPD-Politiker eröffnet den versammelten Beamten, dass er wenige Tage vor seinem 62. Geburtstag entschieden habe, nicht mehr dem neuen Landes­kabinett von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft angehören zu wollen. „Nun sollen Jüngere Verantwortung übernehmen“, sagt er.

Die Belegschaft reagiert ebenso überrascht wie viele Landtagsab­geordnete, Ministeriale oder Journalisten. Es galt als ausgemacht, dass der Flugzeugingenieur und Berufsschullehrer auch der neuen Regierungsmannschaft angehören würde.

Aller Kritik und allem Spott zum Trotz, den sich der gebürtige Allgäuer mit dem freundlichen ­bayerischen Timbre und der Vorliebe für dunkelblaue Pullunder seit 2010 hatte gefallen lassen müssen.

Lob von der Regierungschefin

Kraft indes ließ am Dienstag auf den scheidenden Minister nichts ­kommen: „Er hat diese Herausforderung hervorragend gemeistert. Harry Voigtsberger hat sich durch exzellentes Fachwissen und ­großen Einsatz für die Landes­regierung Respekt und Ansehen auch bei seinen Gesprächspartnern im Land erworben.“ Vor zwei Jahren galt Voigtsberger als Überraschungsminister, den Kraft an die Spitze des Wirtschaftsressorts setzte. Doch das riesige Haus, das auch die Zuständigkeit für Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr umfasste, erwies sich bald als zu groß für ihn.

Harry Kurt Voigtsberger

Er ist der neue Minister für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr in NRW: Harry Kurt Voigtsberger.
Er ist der neue Minister für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr in NRW: Harry Kurt Voigtsberger. © WAZ FotoPool
Der gebürtige Allgäuer studiert ab 1970 zunächst Flugzeugbau, später Politik und Wirtschaft, um Lehrer zu werden.
Der gebürtige Allgäuer studiert ab 1970 zunächst Flugzeugbau, später Politik und Wirtschaft, um Lehrer zu werden. © WP
Parallel zu seiner wissenschaftlichen Ausbildung ist er seit 1970 Mitglied der SPD und von 1979 bis 1999 Ratsmitglied in Aachen.
Parallel zu seiner wissenschaftlichen Ausbildung ist er seit 1970 Mitglied der SPD und von 1979 bis 1999 Ratsmitglied in Aachen. © WAZ FotoPool
Von 2003 an arbeitet Voigtsberger beim Landschaftsverband Rheinland (LVR), bei dem er 2007 Direktor wird ...
Von 2003 an arbeitet Voigtsberger beim Landschaftsverband Rheinland (LVR), bei dem er 2007 Direktor wird ... © WAZ FotoPool
... bis ihn NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft im Juli 2010 in ihr Kabinett holt und Voigtsberger ...
... bis ihn NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft im Juli 2010 in ihr Kabinett holt und Voigtsberger ... © ddp
... zum Minister für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr macht.
... zum Minister für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr macht. © ddp
Ein großes Ressort für den Vater von drei Kindern, der zuvor kaum Erfahrung in der Landespolitik gesammelt hat.
Ein großes Ressort für den Vater von drei Kindern, der zuvor kaum Erfahrung in der Landespolitik gesammelt hat. © WP
Und eine Aufgabe, die dem Minister für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr neue Ausblicke eröffnet. In der Firma Kettenwerke Thiele in Kalthof sieht er . . .
Und eine Aufgabe, die dem Minister für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr neue Ausblicke eröffnet. In der Firma Kettenwerke Thiele in Kalthof sieht er . . . © Michael May/IKZ
. . . unter anderem, was man aus glühendem Eisen fertigen kann. In Dinslaken . . .
. . . unter anderem, was man aus glühendem Eisen fertigen kann. In Dinslaken . . . © Michael May/IKZ
. . . diskutiert er im Januar 2011 beim Betuwegipfel mit Politikern und Anwohnern über den Bau des
. . . diskutiert er im Januar 2011 beim Betuwegipfel mit Politikern und Anwohnern über den Bau des "Eisernen Rheins". Die Stadthalle in Dinslaken ist rappelvoll, draußen vor der Tür protestieren die Gegner des internationalen Verkehrsprojekts. Ruhiger . . . © WAZ FotoPool
. . . verlief der Besuch des Bauministers im Burgstollen von Altena, einem von drei Regionale-Projekten. Einen neuen Blick . . .
. . . verlief der Besuch des Bauministers im Burgstollen von Altena, einem von drei Regionale-Projekten. Einen neuen Blick . . . © WR Christof Hüls
. . . auf sich selbst eröffnete ihm die Phänomenta in Lüdenscheid. Das Handwerk . . .
. . . auf sich selbst eröffnete ihm die Phänomenta in Lüdenscheid. Das Handwerk . . . © WR/Büdenbender
. . . ist natürlich interessiert an guten Kontakten zum Bau- und Wirtschaftsminister. Der steht hier mit Dachdeckermeisterin Eva Risse unter einem Dach zusammen.
. . . ist natürlich interessiert an guten Kontakten zum Bau- und Wirtschaftsminister. Der steht hier mit Dachdeckermeisterin Eva Risse unter einem Dach zusammen. © WP
In Hemer legte Harry K. Voigtsberger vor der Kamera Hand an bei der letzten Baumpflanzung in der Landesgartenschau. Gefragt . . .
In Hemer legte Harry K. Voigtsberger vor der Kamera Hand an bei der letzten Baumpflanzung in der Landesgartenschau. Gefragt . . . © IKZ
. . . ist der Bauminister auch auf Foren. Beim WAZ-Wirtschaftsforum im Mondpalast  Herne diskutierte er unter anderem mit ThyssenKrupp-Vorstandschef Ekkehard Schulz, Thomas Wels (WAZ-Wirtschaft), Paul Kröfges (BUND NRW) und Professor Claus Leggewie vom KWI Essen. Vorwärts . . .
. . . ist der Bauminister auch auf Foren. Beim WAZ-Wirtschaftsforum im Mondpalast Herne diskutierte er unter anderem mit ThyssenKrupp-Vorstandschef Ekkehard Schulz, Thomas Wels (WAZ-Wirtschaft), Paul Kröfges (BUND NRW) und Professor Claus Leggewie vom KWI Essen. Vorwärts . . . © WAZ FotoPool
. . . ging es bei der Vorstellung des Radführers KulturKanal 2010. ADFC-Chef Thomas Semmelmann, Verkehrsminister Voigtsberger und Oliver Scheytt, Geschäftsführer Ruhr2010, traten von Bergkamen aus in die Pedale.
. . . ging es bei der Vorstellung des Radführers KulturKanal 2010. ADFC-Chef Thomas Semmelmann, Verkehrsminister Voigtsberger und Oliver Scheytt, Geschäftsführer Ruhr2010, traten von Bergkamen aus in die Pedale. © ADFC
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In der Wirtschaft wurde beklagt, dass der Minister bei wichtigen ­Terminen fehle. Die Zusammenarbeit mit Horst Becker (Grüne), als Parlamentarischer Staatssekretär verantwortlich für Verkehr, funktionierte nicht reibungslos.

Viel Engagement, keine Schlagzeilen

Voigtsberger hetzte durchs Land, wurde dennoch kaum wahrgenommen. Obwohl er das politische Handwerk in der Aachener Kommunalpolitik erlernte und lange den Landschaftsverband Rheinland führte, fehlte ihm das Talent zur Selbstinszenierung. Schlagzeilen, Initiativen, Vorstöße? Fehlanzeige. Daran änderte auch die zwischenzeitliche Aufrüstung seiner Kommunikationsabteilung nichts.

Die größte Aufmerksamkeit erntete Voigtsberger in den Boulevardmedien, als er einmal in Serie zu spät bei Veranstaltungen erschien. Das Bild eines persönlich integren, aber in der Spitzenpolitik überforderten Ministers bekam Konturen.

Versöhnlich bis zum Schluss

Als Kritik über Defizite in der Industriepolitik laut wurde, zog Kraft diesen für die NRW-SPD wichtigen Bereich an sich. Nach der Fukushima-Katastrophe machte sie die Energiewende zur Chefsache. Für Voigtsberger wurde das Feld, das er bespielen konnte, immer schmaler.

Nach dem Ende der Minderheitsregierung zeichnete sich ab, dass Voigtsbergers Haus aufgeteilt werden sollte. Die Bereiche Bauen, Wohnen und Verkehr wurden ­abgetrennt. Obwohl Voigtsberger neben Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) als Ablösekandidat gehandelt wurde, war Kraft entschlossen, an ihm fest­zuhalten.

Nun der Rückzug ins ­Private, nach Eynatten im deutschsprachigen Teil Belgiens, wo Voigtsberger mit seiner Familie lebt. „Hinter mir liegen zwei unglaublich spannende Jahre, die ich nicht missen möchte“, bilanziert er ­gewohnt versöhnlich.