Essen. Sarrazin hat mal wieder ein Buch geschrieben, das kaum einer gelesen hat, und trotzdem wieder in aller Munde ist. Bei seinem Auftritt in der Talkshow von Jauch wurde aber deutlich, dass sich das nicht lohnt. Der Euro, ja oder nein? Der stoische Skandal-Autor hat keine Antwort - er provoziert nur.
Wenn Thilo Sarrazin redet, fallen einem die Augen zu. Er lispelt und stottert, füllt Bandwurmsatz um Bandwurmsatz mit Zahlen und Statistiken und ist auch sonst nicht sehr für „Gefühligkeit“, wie er es nennt. Denn gerade diese, so soll es in seinem neuen Buch „Europa braucht den Euro nicht“ zu lesen sein, habe Deutschland in die Krise getrieben, wie er jetzt bei Günther Jauch detailliert erklärte. Er bezeichnet das Verantwortungsgefühl der deutschen Politiker den anderen EU-Ländern gegenüber als „Buße für den Holocaust und den Weltkrieg“. Er kocht seine Theorie, dass die Einführung des Euro ein großer Fehler gewesen sei, mit historischen Vergleichen und nationalem Populismus, spricht von „romanischem und germanischem Finanzstil“ und „Völkern des Südens“ und würzt das Ganze mit Daten und Fakten, die zu diesem Aroma passen.
Das stieß nicht nur den Demonstranten vor dem Gasometer sauer auf, sondern auch Talk-Kontrahent Peer Steinbrück. Er finde die gesamte Situation „unangenehm“, ließ der Kanzlerkandidat schon zu Beginn der Sendung wissen. Stand doch der Vorwurf im Raum, er nutze die Sendung für seine persönlichen politischen Ziele. Seinen Gesichtsausdruck, der zwischen Verkniffenheit und unterdrücktem Zorn schwankte, wurde Steinbrück bis zum Ende der Sendung nicht mehr los.
„Wenn ich Ihr Buch mal ernst nehme…“
Der dritte Mann der Sendung, Moderator Günther Jauch, versuchte aus der misslichen Lage das Beste zu machen. Ein öffentlich-rechtlicher Sender dürfe keine Plattform für einen Thilo Sarrazin sein, tönte es im Vorfeld der Talkshow aus vielen Sonntagszeitungen und auch aus der Politik. „Eine Diskussion muss möglich sein“, beharrte Jauch jedoch. Aus seiner Meinung von Sarrazins neuestem Pamphlet machte er keinen Hehl, begann eine Frage gar ironisch mit: „Wenn ich Ihr Buch mal ernst nehme….“ Doch gegen Sarrazins Scheuklappen und seine endlosen Monologe war auch der sonst so eloquente Günther Jauch machtlos. „Sie müssen sich auch mal durchsetzen“, forderte ein hochroter Peer Steinbrück, „Der kann hier den größten Bullshit erzählen!“.
Um Inhalte ging es in der Diskussion übrigens weniger. Vielleicht auch deshalb, weil die Gesprächsgrundlage fehlte. Denn obwohl der Titel von Sarrazins Buch „Europa braucht den Euro nicht“ lautet, spricht dieser sich weder für noch gegen den Euro aus. „Eine gemeinsame Währung ist nicht zwingend“ lässt er zwischendurch wissen, aber aus der Währungszone aussteigen brauche Deutschland daher noch lange nicht. Und Peer Steinbrück, der den Euro und alle damit verbundenen Konsequenzen so leidenschaftlich verteidigte wie eine Löwenmutter ihr Junges, prallte mit seinen Erklärungsversuchen an Sarrazins Sturheit vollkommen ab.
Worum es in dieser Sendung eigentlich ging, fasste Thilo Sarrazin zum Schluss selbst in Worte: „Wenn man jemanden hasst, dann darf man nicht über ihn reden. Das ist die einzige Möglichkeit, wie man ihn tot kriegt“, erklärte er mit dem Anflug eines Lächelns. Aber dafür ist wohl schon zu spät.
Sarrazins Sprüche