Erfurt. . Bei der Fahndung nach den Mitgliedern der Zwickauer Zelle haben die Thüringer Behörden zahlreiche Fehler gemacht. Zu diesem Ergebnis kommt der Untersuchungsausschuss in seinem Abschlussbericht. Gerade bei der Abstimmung und Weitergabe von Informationen gab es erhebliche Pannen.
Die Ermittlungen der Thüringer Sicherheitsbehörden im Umfeld der rechtsextremen NSU-Terrorgruppe sind von gravierenden Fehlern und Pannen geprägt gewesen. Zu diesem Ergebnis kommt die von Innenminister Jörg Geibert eingesetzte Untersuchungskommission um den ehemaligen BGH-Richter Gerhard Schäfer. Deren Bericht "deckt erhebliche handwerkliche und strukturelle Defizite auf" mit fatalen Folgen, sagte Geibert am Dienstag in Erfurt bei der Vorstellung des Gutachtens. Darin wird den Behörden ein in Teilen vernichtendes Zeugnis ausgestellt.
Es habe sowohl an der notwendigen Abstimmung zwischen Behörden und Justiz als auch an der Auswertung, der Informationsweitergabe, der Dokumentation sowie der Kontrolle gemangelt, sagte Geibert. Mitunter hätten beinahe "chaotische Zustände" geherrscht. Zufrieden zeigte sich der Ressortchef, dass weder Beate Zschäpe noch Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt von staatlichen Stellen gedeckt oder gar V-Leute des Verfassungsschutzes gewesen seien.
Thüringen will Verfassungsschutz und LKA durchleuchten
Im Fokus der weiteren Aufarbeitung stehe nun der Thüringer Verfassungsschutz, sagte Geibert weiter. Schäfer solle den heutigen Zustand des Landesamtes analysieren, um zu sehen, ob die Defizite beseitigt worden seien. Die ohnehin bei der Polizeistrukturreform anstehende Überprüfung des Landeskriminalamts (LKA) werde vorgezogen. In einem novellierten Verfassungsschutzgesetz soll die Informationsweitergabe verpflichtend werden. Zudem will sich Thüringen auf Bundesebene für eine bessere behördliche Zusammenarbeit einsetzen. Personelles Fehlverhalten soll nun geprüft werden.
Laut dem 260-seitigen Kommissionsbericht verfügte der Landesverfassungsschutz von Anfang an über "gute Kenntnisse" zum Trio. Die Auswertung der Erkenntnisse gemäß nachrichtendienstlicher Grundsätze unterblieb, die Weitergabe war mangelhaft, wie Schäfer sagte. Zahlreiche Meldungen von Informanten hätten den für die Auswertung zuständigen Mitarbeiter nicht erreicht. Die Kommission habe die vorliegenden Informationen erstmals zusammengestellt.
Demnach wäre früh erkennbar gewesen, dass das Trio nach dem Untertauchen 1998 beinahe im Monatsrhythmus über Geldsorgen klagte und später regelmäßig in der Szene nach Waffen anfragen ließ. Ebenso wäre erkennbar gewesen, dass die Drei ab etwa November 1999 ihren Geldbedarf decken konnten - vermutlich mit Banküberfällen. Irgendwann habe es genug Anhaltspunkte gegeben, dass Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt eine terroristische Vereinigung seien, sagte Schäfer weiter. Doch all diese Informationen seien weder systematisch zusammengefügt worden, noch anderen der Polizei mitgeteilt worden.
Katastrophale Aktenführung und behördliche Alleingänge
Darüber hinaus beklagte Schäfer, dass es neben durchaus funktionierenden Beispielen für behördliche Zusammenarbeit - etwa bei der letztlich erfolglosen Fahndung im Jahr 2000 - auch scheinbar bewusste Alleingänge gegeben habe. So hätten etwa LKA und Verfassungsschutz getrennt bei Mundlos' Eltern nach dem Untertauchen ihres Sohnes nachgeforscht. Im Anschluss habe der Verfassungsschutz durch Anweisungen an die Eltern dem LKA mögliche Erkenntnisgewinne verbaut.
Nicht festlegen wollte sich Schäfer jedoch, ob ein anderes behördliches Vorgehen zum Aufspüren der Gesuchten geführt hätte.
Die dreiköpfige Kommission hatte seit November für den Bericht zahlreiche Akten durchgesehen und rund 40 Zeugen befragt. Dabei seien die Unterlagen von "unterschiedlicher Qualität" zum Teil aber "katastrophal schlecht" gewesen. Die Neonazi-Gruppe mit Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos war 1998 untergetaucht. Die Rechtsterroristen sollen deutschlandweit zehn Morde vor allem an ausländischen Kleinunternehmern begangen haben. (dapd)