Essen/Mainz. . Eigentlich war das offizielle Interview im ZDF schon vorbei: Im Abspann sozusagen drosch der CSU-Chef Horst Seehofer dann nochmal kräftig auf den NRW-Wahlverlierer Norbert Röttgen ein. Die Unions-Freunde in NRW reagierten entsetzt.
Die schweren Vorhaltungen von CSU-Chef Horst Seehofer sorgen in der nordrhein-westfälischen CDU für Unmut. "Ich wünsche Horst Seehofer, dass er in einer Niederlage nie so von anderen Landesverbänden behandelt wird, wie er im Moment die CDU behandelt", sagte der stellvertretende Vorsitzende der NRW-CDU, Armin Laschet. Auch Generalsekretär Oliver Wittke sagte, er wünsche Seehofer, dass er so etwas nie erlebe.
Laschet verbat sich jede weitere Einmischung von der CSU. "Bei aller interner Kritik brauchen wir keine politischen Ratschläge aus Bayern." Röttgen sei ein guter Bundesumweltminister "und es gibt überhaupt keinen Grund, das jetzt zur Disposition zu stellen".
Laumann fordert von Seehofer mehr Solidarität
Laumann verlangte von Seehofer mehr Solidarität. Es habe auch bei Bundestagswahlen schon CSU-Kandidaten gegeben, die nicht gewonnen hätten und "die anschließend auch eine Menge Solidarität von uns erfahren haben". Zudem müsse man auch in Bayern zur Kenntnis nehmen, dass der Landesverband "sehr wohl" in der Lage sei, seine Probleme zu lösen. Die Entscheidung Röttgens, sein Amt als Landesvorsitzender aufzugeben, sei in der Fraktionssitzung als "honorig", "aber auch als notwendig" empfunden worden, sagte Laumann. Niemand habe gefordert, dass noch weitere Mitglieder der Führungsspitze Konsequenzen ziehen sollten.
Seehofer hatte den gescheiterten CDU-Spitzenkandidaten in NRW Norbert Röttgen kräftig abgewatscht. Im ZDF-Heute-Journal sagte der CSU-Chef am Montagabend, er persönlich habe Röttgen davor gewarnt, sich nicht klar zu NRW zu bekennen. Das sei ein „ganz großer Fehler“. Eine Spitzenkandidatur sei „nichts Privates, das trifft die ganze Union. Aber er hat mich abtropfen lassen“, so Seehofer über das Gespräch mit Röttgen, bei dem die Kanzlerin zugegen gewesen sei. Außerdem habe er Röttgen noch einmal gewarnt, „über die Bild-Zeitung“. Aber auch das habe nicht gefruchtet.
„Das können Sie alles senden“
Dabei, so der sichtlich angefressene CSU-Chef im Heute-Journal weiter, sei Röttgen mit guten Chancen in das Rennen gegen Hannelore Kraft (SPD) gestartet. Der CDU-Mann sei mit 37 zu 36 Prozentpunkten in den Umfragen vorne gelegen. Aber binnen vier Wochen seien seine Chancen „weggeschmolzen wie eine Eiscreme in der Sonne“. Es gebe Politiker, die würden davonlaufen, wenn es unangenehm wird, aber Röttgen sei „gar nicht erst hingelaufen“.
Ungewöhnlich: Seehofer ließ seine Tirade auf den amtierenden Bundesumweltminister in einer Interviewpause ab, in der Moderator Claus Kleber mit dem bayrischen Ministerpräsidenten nur über den weiteren Verlauf des vor dem Heute-Journal aufgezeichneten Gesprächs reden wollte. Die Kamera lief aber dabei weiter. Auf Nachfrage von Kleber gab Seehofer aber ausdrücklich grünes Licht für eine Ausstrahlung des gesamten Interviews: „Sie können das alles senden.“
CSU legt nach
Nach Seehofers Tirade hat die CSU nochmals nachgelegt: Röttgens Arbeit als Bundesumweltminister werde nun nicht einfacher, sagte der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU). "Auch in der Zukunft" sei das Wahlergebnis für Röttgen eine "schwierige Situation". Über einen möglichen Röttgen-Rücktritt als Bundesminister müssten aber andere entscheiden als die CSU. "Das ist zunächst mal die Entscheidung von ihm und auch von der Bundeskanzlerin", sagte Söder.
Auch aus den Reihen der Union mehrten sich Vorwürfe gegen Röttgen. "Es war ein Riesenfehler, nicht voll nach NRW zu gehen, der Wähler will jemanden ganz oder gar nicht", sagte Unionsfraktionsvize Michael Fuchs. Zwar wertete Fuchs den Wahlausgang in NRW als "regionales Ereignis". Dennoch müsse die Partei nachdenken, ob sie im Bund alles richtig mache. So müsse die CDU zeigen, dass sie "die Partei der Wirtschaft" sei, die für Wachstum und niedrige Arbeitslosigkeit gesorgt habe.
FDP fordert Seehofer auf, "die Schmollecke" zu verlassen
In der Folge seines umstrittenen Interviews verlangte Seehofer zugleich Konsequenzen für die Arbeit der schwarz-gelben Koalition nach der NRW-Wahl. Die Koalition habe noch große Projekte zu bewältigen wie die Energiewende. Auch der Streit um das Betreuungsgeld müsse gelöst werden. Der bayerische Ministerpräsident verwies zudem auf die im Bundesrat gestoppte Steuerentlastungen und die Beseitigung des Investitionsstaus in der Verkehrsinfrastruktur. Der CSU-Chef schlug daher ein Treffen mit CDU-Chefin Angela Merkel und dem FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler vor. Am Wochenende hatte Seehofer noch gedroht, an keinen Koalitionsausschuss mehr zu teilzunehmen, wenn alte Beschlüsse wie zum Betreuungsgeld nicht umgesetzt würden.
Seehofer versicherte, er sei ein Anhänger der Koalition. Er wolle sie auch fortsetzen. Die FDP stabilisiert sich. Die Union müsse sich mehr in Richtung 40 Prozent bewegen und nicht in Richtung 30 Prozent. "Ich will den Erfolg der Koalition und keinen Ärger machen", versicherte Seehofer.
In der FDP wächst unterdessen der Unmut über Seehofer. Mit Blick auf Seehofers Boykottdrohung sagte der Chef der Jungliberalen, Lasse Becker: "Horst Seehofer verhält sich wie im Kindergarten. Er spielt mit dem Erfolg der Koalition und sollte daher schnell aus der Schmollecke kommen." Auch FDP-Vorstandsmitglied Katja Suding mahnte: "Herr Seehofer wäre gut beraten, die Mätzchen zu lassen. Sich der Arbeit zu verweigern, ist verantwortungslos."