Paris. Antrittsbesuch: Der französische Präsident kommt nach Deutschland. Am Morgen erst wurde er als neuer Präsident vereidigt. Am Abend ist er bei Angela Merkel zu Gast. Der Frankreich-Experte und frühere Kohl-Berater Micherlich glaubt: Merkel und Hollande werden miteinander auskommen.

Es wird ernst für Frankreichs neuen Präsidenten François Hollande: Am Morgen war die feierliche Amtsübergabe im Elysée, am Nachmittag nimmt er vorm Pariser Rathaus das erste Bad in der Menge als Staatschef und abends ist der Antrittsbesuch in Berlin. Im Mittelpunkt steht das Ringen um Merkels Sparkurs und Hollandes Wachstumsprojekt. Doch Streit, darin herrscht in Paris große Einmütigkeit, sei weder wünschenswert noch zu erwarten.

Joachim Bitterlich, Manager des Mischkonzerns Veolia und intimer Kenner der französischen Innenpolitik, ist zuversichtlich, dass schon bei dieser ersten Visite die Weichen für einen tragfähigen Kompromiss gestellt werden können. „Ich sehe gute Chancen dafür, dass sich Angela Merkel und François Hollande auf eine abgestimmte Linie verständigen werden, die beide Kapitel umfasst: Spardisziplin und Wachstum“, sagt der frühere Kohl-Berater und „Nebenaußenminister“ dieser Zeitung. Und er fügt hinzu: „Eine Fülle von Ideen liegt auf dem Tisch, die bis zum EU-Gipfel im Juni dann der Feinabstimmung bedürfen.“

Bitterlich ist überzeugt, dass Hollande und Merkel miteinander können werden: „Beide sind keine verbohrten Ideologen, sondern Pragmatiker, die nüchtern den Kompromiss suchen“. Folgt auf Merkozy nun Merkollande?

Neid erregender Höhenflug

Der faszinierende, mitunter auch Neid erregende Höhenflug der deutschen Wirtschaft hat das Interesse am Nachbarn von der anderen Rheinseite spürbar erhöht. Wohl noch nie seit dem Fall der Mauer schickten die Deutschland-Korrespondenten so viele Berichte nach Paris wie in diesen Tagen. „Le Monde“ verknüpft das CDU-Debakel in NRW („Warnschuss für Angela Merkel“) eng mit dem Berlin-Trip des Präsidenten. Es sei „eine schlechte Nachricht für die Kanzlerin und eine gute für François Hollande“.

Dass „Madame Non“ bei so viel Gegenwind nun vom Sparkurs abrücken und Wachstum auf Pump dulden könnte, glaubt in Frankreich indes niemand. Aber allein Merkels Einwilligung in eine Wachstums-Initiative durch bessere Nutzung von EU-Strukturfonds und Einschaltung der Europäischen Investitionsbank könnte Hollande bei seiner Rückkehr an die Seine schon als persönlichen Erfolg verkaufen. Kürt Hollande den langjährigen sozialistischen Fraktionschef Jean-Marc Ayrault zum Premierminister, könnten sich die Gesichter in Berlin aufhellen. Als Deutschlehrer kennt der 62-Jährige die Sprache Goethes und die Deutschen aus dem Eff-Eff.