Paris/Berlin. Der neugewählte französische Präsident Francois Hollande hat keine Zeit zum Feiern. Von ihm wird viel erwartet - zum Beispiel ein klares Bekenntnis zum europäischen Fiskalpakt. Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet aus Frankreich ein klares Signal für den Pakt. Sie werde Hollande “mit offenen Armen“ empfangen.
Zum Feiern seines Wahlsiegs blieb dem neugewählten französischen Präsidenten Francois Hollande nur wenig Zeit: Nach dem Triumph des Sozialisten über Amtsinhaber Nicolas Sarkozy und den Erfolgen der Gegner der europäischen Sparpolitik in Griechenland zeigten sich die Finanzmärkte am Montag nervös. Sie warteten auf klare Signale Hollandes, wie stark er gegen die von Deutschland vorangetriebenen Sparanstrengungen in Europa angehen wird. Am Vormittag beriet Hollande in der Parteizentrale über die Bildung einer neuen Regierung. Es wird erwartet, dass der neue Präsident schon kurz nach seiner Vereidigung am 15. Mai zu Bundeskanzlerin Angela Merkel fahren wird, einer der Hauptverfechterinnen der in Frankreich und Griechenland vom Wähler abgestraften Sparpolitik.
In Folge der Wahlergebnisse gerieten der Euro und die Anleihen Frankreichs und Griechenlands unter starken Druck. Auch die Aktienmärkte verzeichneten Verluste. Wenn sich Hollande tatsächlich weigere, bis 2016 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, würden die Investoren, die Frankreich bislang vertraut hätten, Druck ausüben, sagte der scheidenden Finanzminister Francois Baroin.
Merkel-Sprecher: Neuverhandlung des Fiskalpakts nicht möglich
In Deutschland löste der Wahlsieg Hollandes unterschiedliche Reaktionen aus. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte im Deutschlandfunk, der reine Sparkurs von Merkel habe Europa tiefer in die Krise geführt. Mit dem künftigen französischen Präsidenten Hollande werde Europa "eine neue Richtung nehmen." Hollande will dafür werben, den in der EU beschlossenen Fiskalpakt um wachstumsfördernde Elemente zu ergänzen. Erste Gelegenheit dazu hat er, wenn er kurz nach seiner Amtsübernahme in Berlin erwartet wird. Merkel-Sprecher Steffen Seibert erklärte jedoch bereits, eine Neuverhandlung des Fiskalpakts sei nicht möglich.
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Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Norbert Röttgen sprach deutlich gegen Zugeständnisse an Hollande aus. "Wir sind nicht dafür da in Deutschland, sozialistische Wahlversprechen zu finanzieren." CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder mahnte, dass der Fiskalpakt nicht mehr infrage gestellt werden dürfe. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte: "Die neue Person an der Spitze kann keine Umkehr der Stabilitätspolitik in Europa bedeuten." Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte: "Hollande wird von mir mit offenen Armen in Deutschland empfangen." Die deutsch-französische Kooperation sei essenziell für Europa, daher werde man "gut und intensiv" zusammenarbeiten, kündigte Merkel an. Die CDU-Vorsitzende hatte sich im Wahlkampf offen für Hollandes Gegner Nicolas Sarkozy stark gemacht.
Ifo-Präsident Sinn: "Nur wer spart, kann wachsen."
Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, sieht das Ergebnis der Frankreich-Wahl äußerst kritisch. Der neue französische Präsident François Hollande "will weniger sparen und damit Wachstum erzeugen." Das Gegenteil werde die Folge sein, sagte Sinn der Nachrichtenagentur dapd. "Denn nur wer spart, kann wachsen. Wer nicht spart und sein Einkommen konsumiert, dem fehlt das Geld für die Investitionen, die allein das Wachstum bringen können", betonte Sinn. "Mit dem Slogan 'Wachsen statt sparen' werden die Bürger für dumm verkauft." In Bezug auf die Europolitik Hollandes macht sich Sinn dagegen weniger Sorgen. Sinn geht davon aus, dass Hollande trotz anderslautender Wahlkampfäußerungen den Fiskalpakt ratifizieren werde. "Bisher hat noch jeder Sozialist die Kurve gekriegt."
"Hollande steht vor großen Herausforderungen im wirtschaftlichen Bereich", hob Claire Demesmay von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) hervor. Dazu gehörten die hohe Arbeitslosigkeit von rund zehn Prozent, die geringe Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die hohe Staatsverschuldung. Nach Einschätzung von Experten dürften Merkel und Hollande routiniert zusammenarbeiten. "Es wird eine klassische deutsch-französische Zusammenarbeit werden", sagt Demesmay. Dazu gehöre seit jeher, dass beide Länder unterschiedliche Positionen vertreten und dann Kompromisse finden. Das Duo Merkel-Sarkozy, das zeitweise im Doppelpack als "Merkozy" auftrat, sei da mit seiner Harmonie der vergangenen Monate eine Ausnahme gewesen. (afp/dapd/rtr)