Essen. Der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth erklärt im Interview mit der WAZ-Mediengruppe, woran Norbert Röttgen scheiterte, warum es für die CDU schwer bleiben wird, der Ministerpräsidentin Paroli zu bieten.- und warum der Ruf nach Hannelore Kraft in der Bundespolitik lauter werden dürfte.

Norbert Röttgen hat im Wahlkampf viele Fehler gemacht. Welcher war der entscheidende?

Gerd Langguth: Er hat weder den Wählern noch der eigenen Parteibasis eindeutig erklärt, ob er nach einer Niederlage als Oppositionsführer in NRW bleibt oder nicht.

Röttgens Hauptthema war seine Kritik an Krafts Schuldenpolitik. War das Thema zu abstrakt für die Menschen in NRW?

Gerd Langguth: Röttgen wollte mit harten Fakten punkten, er ist scharfzüngiger, aber auch polarisierender. Hannelore Kraft hat einen echten Wohlfühlwahlkampf mit Herz geführt. Dagegen kommt man nur schwer an.

Norbert Röttgen hat noch am Wahlabend seinen Rücktritt vom Parteivorsitz erklärt. Wer könnte nun Frau Kraft als Oppositionsführer Paroli bieten?

Gerd Langguth: Nachdem CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe bereits abgewunken hat, bleiben für den Posten nur noch NRW-Fraktionschef Laumann oder Röttgens Konkurrent Armin Laschet. Laumann könnte als Arbeiterführer viele Menschen ansprechen, Laschet ist rhetorisch begabter. Schwer werden es angesichts der Persönlichkeitsstruktur von Hannelore Kraft beide haben.

Was bedeutet das Ergebnis für Angela Merkel und die schwarz-gelbe Koalition in Berlin?

Politikwissenschaftler Prof. Gerd Langguth.
Politikwissenschaftler Prof. Gerd Langguth.

Gerd Langguth: Merkel wird Business as usual machen. Immerhin ist die FDP angesichts des guten Ergebnisses weniger nervös, das wird erst einmal die Berliner Koalition festigen – auch wenn es natürlich weiter Streit geben wird.

Rutscht Hannelore Kraft nach ihrem deutlichen Wahlsieg nun zwangsläufig auf der SPD-Liste der möglichen Kanzlerkandidaten nach oben?

Gerd Langguth: Sie hat zwar deutlich erklärt, dass sie nicht zur Verfügung steht, aber der Ruf wird zwangsläufig lauter werden - auch wenn das den Mitgliedern der Troika, Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück, nicht gefallen wird.

Haben Sie erwartet, dass sich die FDP wieder so deutlich berappelt?

Gerd Langguth: Ja, weil ich weiß, dass CDU-Anhänger die FDP gewählt haben, um eine marktwirtschaftlich orientierte Partei zu stützen. Christian Lindner wäre auch ohne Röttgens Fehler so weit gekommen.

Dürfen die Grünen von einer rot-grünen Koalition in Berlin träumen?

Gerd Langguth: Dafür ist es zu früh. Die Zeichen stehen auf Große Koalition, auch wenn die SPD sie aufgrund ihrer schlechten Erfahrungen nicht will.

Was wird aus der Linkspartei?

Gerd Langguth: Vielleicht wird Oskar Lafontaine ja noch einmal das Ruder herumreißen. Es sieht allerdings so aus, als ob die Linke zumindest in Westdeutschland keine Perspektive mehr hat.