Washinton. . Als erster Präsident der USA hat sich Barack Obama für die Zulassung gleichgeschlechtlicher Ehen ausgesprochen. Das ist ein mutiger Schritt im Wahljahr, denn das Thema spaltet das Land. Unter jungen amerikanischen Wählern dürfte das Bekenntnis überwiegend auf Zustimmung stoßen. Für die Republikaner lieferte Obama hingegen eine Steilvorlage zur Mobilisierung der konservativen Basis.
Aufschreie, Freudentränen, Zornesröte – das historische „Coming-Out“ des Präsidenten bei der Homo-Ehe löst heftige Emotionen bei seinen Landsleuten aus. Zwischen Frühstücksflocken, Erdnussbutter und Kaffee horchten Millionen Amerikaner auf, als der Präsident auf „Good Morning America“ ohne Einschränkung seine Unterstützung für gleichgeschlechtliche Ehen erklärte.
„Mir persönlich ist es wichtig, voranzugehen und zu versichern, dass ich denke, gleichgeschlechtliche Paare sollten die Möglichkeit bekommen zu heiraten”, so Obama im Gespräch mit Moderatorin Robin Roberts. Er habe sich von seinen Gesprächen mit seiner Frau und seinen Töchtern, aber auch gleichgeschlechtlichen Freunden überzeugen lassen, dass bloße Zivil-Partnerschaften nicht ausreichten, die Diskriminierung zu beenden.
Obama löst "politisches Erdbeben" aus
Einig sind sich die Amerikaner nur darin, dass Obama mit der Aufgabe seiner bisher geübten Zurückhaltung in ein Wespennest gestochen hat. Oder wie Newsweek-Bürochef Howard Kurtz kommentiert: „Das ist ein politisches Erdbeben, das die Landschaft durchschüttelt.“
Anders als in Europa bringt die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben die Amerikaner auf die Barrikaden. Liberale sehen darin die letzte ungelöste Bürgerrechtsfrage, während die christliche Rechte mit der Homo-Ehe den moralischen Untergang der USA heraufbeschwört. Die Gefechtslinien verlaufen wie bei vielen anderen sozialen Fragen zwischen den Nord- und den Südstaaten, Stadt- und Landbevölkerung sowie Jungen und Alten.
Neun Bundesstaaten erkennen bereits gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften entweder ausdrücklich als Ehe an oder geben Paaren in zivilen Partnerschaften weitgehend dieselben Rechte. Auf der anderen Seite hat mit North Carolina am Dienstag der 31. Bundesstaat eine Verfassungsergänzung angenommen, die die Homo-Ehe ausdrücklich verbietet.
Riskiert Obama Wählerstimmen?
Trotz rapide wachsender Akzeptanz in den Umfragen, geht Präsident Obama mit seiner Unterstützung nach Analysten-Meinung ein großes politisches Risiko im Wahljahr ein. Vor allem in Bundesstaaten mit vielen Wechselwählern wie North Carolina, Virginia, Colorado, Ohio und Florida könnte seine Positionierung am Ende Stimmen kosten.
Der republikanische Herausforderer Mitt Romney versuchte gleich Kapital aus Obamas „Ja“-Wort zu schlagen. Er sei nicht nur gegen die gleichgeschlechtliche Ehe, sondern lehne auch zivile Partnerschaften ab, „wenn diese identisch mit Ehen sind“. Das Weiße Haus nimmt die Reaktionen gelassen auf. Auch Lyndon B. Johnson sei ein Risiko eingegangen als er sich 1964 für die Gleichberechtigung der Schwarzen aussprach. Es sei eine natürliche Evolution, dass der erste schwarze Präsident nun klar Position gegen die Diskriminierung einer anderen Gruppe von Amerikanern beziehe.