Gelsenkirchen/Berlin. Die Verknüpfung der NRW-Landtagswahl mit der Europa-Politik der Bundesregierung sorgt in Berlin für Verärgerung. Mit der Verknüpfung von Landes-, Bundes- und Europapolitik hat Röttgen Teile der CDU-Spitze in Berlin gegen sich aufgebracht. Die Kanzlerin distanziert sich.

Der Kandidat kommt gleich zur Sache. Norbert Röttgen steht keine fünf Minuten am Mikrofon, da schlägt der CDU-Mann den großen Bogen hier vom Kirchplatz in Gelsenkirchen-Buer über Berlin und Brüssel bis nach Paris und Athen. Am Sonntag bei der Landtagswahl gehe es nicht allein um die Macht in NRW, sondern um solide Finanzen in Euro-Land: „Die rot-grüne Regierung ist eine Belastung für den Konsolidierungskurs in Europa“, ruft Röttgen. Und: Er sei nicht bereit, „sozialistische Wahlversprechen“ in Frankreich oder Griechenland „mit deutschem Steuergeld zu bezahlen“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, die fünf Meter entfernt im knallroten Blazer auf ihren Auftritt wartet, patscht einmal lustlos in die Hände. Bereits zum siebten Mal in diesem Wahlkampf stellt sie sich als Hauptattraktion ihrer Partei zur Verfügung. „Kanzlerin gucken“ zieht immer: Viele Passanten in Buer recken Hälse und strecken Kinder in die Höhe. Dass Röttgen aber im Schlussspurt des Wahlkampfes nicht mehr nur Kanzlerinnen-Abglanz will, sondern in verzweifelter Umfragelage gleich die Europa-Politik und mithin Merkel selbst in Mithaftung nimmt, stößt sauer auf.

Nur eine Landtagswahl

Kurz vor ihrem Auftritt in Gelsenkirchen sorgt Merkel für maximale Distanzierung: „Die Wahl am Sonntag ist eine wichtige Landtagswahl für Nordrhein-Westfalen, nicht mehr und nicht weniger“, lässt sie per Zeitungsinterview wissen. Deutlicher kann man nicht machen, dass sie von einer Pleite ihres Umweltministers in NRW keinesfalls infiziert werden möchte. Die Zusammenarbeit von CDU und FDP im Bund sei von den Düsseldorfer Ereignissen nicht betroffen, betonte Merkel.

Mit der Verknüpfung von Landes-, Bundes- und Europapolitik hatte Röttgen schon tags zuvor Teile der CDU-Spitze in Berlin gegen sich aufgebracht. Führungsleute in Partei und Bundestagsfraktion reagierten mit Unverständnis, teils auch mit deutlicher Verärgerung. Es sei ein Unding, wie Röttgen nun dafür sorge, dass ein mögliches schlechtes CDU-Wahlergebnis der Kanzlerin angelastet werde und dann unter Umständen sogar ihren Euro-Kurs belaste. „Das ist sehr unglücklich gelaufen – wir wissen nur nicht, ob es Absicht oder Ungeschick war“, sagte ein Mitglied der engeren CDU-Führung. Andere sprechen von einem „offenen Affront“ des Spitzenkandidaten gegen die Kanzlerin.

Öffentlich mag sich mit Rücksicht auf den Wahlkampf niemand kritisch äußern. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, der ebenfalls auf der Gelsenkirchener Bühne tapfer applaudiert, lässt sich sogar mit dem unverbindlich-zustimmenden Satz zitieren, die Frage von Stabilität oder ausufernder Verschuldung stelle sich in der Tat in NRW wie in Europa.

Enttäuschung über Wahlkampfführung

Doch aus der Enttäuschung über die Wahlkampfführung machen erste Unionspolitiker hinter vorgehaltener Hand keinen Hehl mehr. Bestritten wird, dass Röttgen sein Manöver mit der Parteispitze abgesprochen hat. Zwar habe er im CDU-Präsidium angekündigt, im Wahlkampf-Endspurt das Schuldenthema auch mit Blick auf Europa zuzuspitzen – von einer Abstimmung über Merkels Euro-Kurs sei aber sicher nicht die Rede gewesen.

Die SPD übt sich in Schadenfreude: „Röttgen offenbart sich als politischer Feigling“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. „Er schiebt jetzt die Kanzlerin vor – aber so verdient man sich keinen Respekt.“