Berlin. EU-Kommissarin Neelie Kroes rechnet nicht damit, dass das Anti-Piratrie-Abkommen Acta noch in Kraft tritt. Kroes äußerte sich entsprechend auf der Internet-Konferenz Re:publica in Berlin. EU-Experten des Bundestages warnen unterdessen vor Folgen des Abkommens für Entwicklungsländer.

Die für die Digitale Agenda zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes rechnet nicht damit, dass das umstrittene Anti-Piraterie-Abkommen Acta in Kraft tritt. „Machen Sie sich um Acta keine Sorgen mehr“, sagte sie am Freitag auf der Internetkonferenz Re:publica in Berlin. Es müsse jedoch weiter über die Themen von Acta diskutiert werden. „Wir müssen die Probleme lösen, um die es geht“, sagte Kroes. So müsse das Urheberrecht mit Blick auf neue Technologien angepasst werden.

Die EU-Kommission hat das Abkommen an den Europäischen Gerichtshof verwiesen. Dieser soll prüfen, ob die Bestimmungen mit Grundrechten vereinbar sind.

Unterdessen kommt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitagausgabe) in einem Gutachten zu dem Schluss, dass Acta im Falle seines Inkrafttretens negative Auswirkungen auf die Entwicklungsländer hätte. Die Experten bestätigen damit, dass die entwicklungspolitischen Befürchtungen der ACTA-Kritiker ihre Berechtigung haben. In dem Papier werden vor allem zwei Punkte als bedenklich hervorgehoben: die Versorgung der Länder mit Medikamenten und die Nutzung von Saatgut.

Versorgung mit günstigen Medikamenten könnte unterbrochen werden

Durch das Acta-Abkommen könnte die Versorgung von Entwicklungsländern mit günstigen Generika-Medikamenten unterbrochen werden, heißt es laut „FAZ“ in dem Gutachten, das vom Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Auftrag gegeben wurde. Außerdem könnte die Durchsetzung von Patentrechten auf Saatgut Nachteile für Bauern in Entwicklungsländern bedeuten.

Die Experten kommen zu dem Schluss, dass entwicklungspolitische Befürchtungen von Acta-Kritikern durchaus berechtigt seien. „Bereits im Vorfeld des Bekanntwerdens der endgültigen Fassung wurden verschiedene Auswirkungen vermutet und negativ bewertet. Diese Befürchtungen haben sich mit Vorliegen des Abkommens weitgehend manifestiert“, zitiert die „FAZ“ aus dem bislang unveröffentlichten Gutachten.

Acta soll Produkt- und Markenpiraterie verhindern und weltweit den Schutz geistigen Eigentums verbessern, sowohl in der realen Welt wie im Internet. Kritiker befürchten insbesondere eine Beschränkung der Freiheit im weltweiten Datennetz. Vor diesem Hintergrund und angesichts massiver Proteste beschloss im Februar die EU-Kommission, die Acta mit ausgehandelt hatte, den Europäischen Gerichtshof um eine Prüfung zu bitten. Zugleich wird Acta derzeit im Europaparlament diskutiert. Auch die EU-Mitgliedstaaten müssen dem Vertrag zustimmen. Deutschland hat den Prozess zur Zustimmung vorerst auf Eis gelegt. (dapd/afp)