Brüssel. Das umstrittene ACTA-Abkommen soll vom Europäischen Gerichtshof überprüft werden. Die EU-Kommission will das Gericht prüfen lassen, ob ACTA mit den Grundrechten und Grundfreiheiten der Europäischen Union vereinbar ist. EU-Kommissar Karel De Gucht forderte eine “auf Fakten basierende“ Diskussion.
Die EU-Kommission will das umstrittene ACTA-Abkommen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zur Prüfung vorlegen. Der EuGH könne die Gesetzmäßigkeit des Urheberrechtsabkommens unabhängig überprüfen, sagte EU-Handelskommissar Karel De Gucht am Mittwoch in Brüssel. Die für Bürgerrechte zuständige Kommissarin Viviane Reding erklärte zur Kritik an ACTA, die EU stehe "für ein frei zugängliches Internet".
Der EuGH solle prüfen, "ob ACTA in der einen oder anderen Art mit den Grundrechten und Grundfreiheiten der Europäischen Union unvereinbar ist", sagte De Gucht. Er wiederholte aber seine Einschätzung, dass das Abkommen gegen Piraterie im Internet "in der Europäischen Union nichts ändern" werde. Die Kommission hatte das internationale Abkommen für den Schutz geistigen Eigentums mit den anderen Vertragspartnern ausgehandelt, darunter den USA, Japan, Mexiko und der Schweiz.
EU-Kommissar will Debatte zu ACTA, die "auf Fakten basiert"
Angesichts der anhaltenden Kritik an ACTA forderte De Gucht, die Debatte müsse "auf Fakten basieren und nicht auf fehlerhaften Informationen und Gerüchten". ACTA kann nach den Worten De Guchts helfen, Arbeitsplätze zu schützen, die durch nachgemachte Waren und Produktpiraterie in Gefahr sind.
Nach Ansicht von De Guchts Kollegin Reding darf der Schutz geistigen Eigentums nicht zu Einschränkungen der Meinungs- und Informationsfreiheit führen. Internet-Sperren kämen daher nicht in Frage, sagte Reding. Geistiges Eigentum sei zwar ebenfalls ein Grundrecht, jedoch "kein absolutes Grundrecht". Die EU müsse den Respekt vor den verschiedenen Grundrechten ausbalancieren. Zwar würde ACTA keine neuen europäischen Regeln setzen, sagte Reding. Sie verstehe aber, "dass viele Menschen darüber beunruhigt sind, wie ACTA umgesetzt würde".
Bei ACTA geht es nicht nur um Netzthemen, sondern auch um gefälschte Markenwaren
ACTA steht für Handelsabkommen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie. Es soll den Schutz geistigen Eigentums verbessern, und zwar sowohl in der Realwirtschaft als auch im Internet. Es geht also etwa um Zollkontrollen, bei denen gefälschte Markenware aus Fernost beschlagnahmt wird. Das Abkommen berührt aber auch illegale Downloads von Musikdateien in einer Tauschbörse im Netz.
Kritiker machen geltend, dass ACTA die Freiheit im Internet beschneiden könnte. Sie befürchten etwa, dass Internetprovider künftig mit der Musikindustrie kooperieren und im Extremfall bei vermuteten Rechtsverstößen den Anschluss sperren. Ausdrücklich vorgesehen ist dies in dem Abkommen aber nicht. Neben dem Inhalt des Abkommens stört viele Kritiker aber auch, dass es angeblich geheim verhandelt wurde - was die EU zurückweist.
In den vergangenen Wochen hatte eine breite Öffentlichkeit in Deutschland und anderen Ländern gegen den Vertrag mobil gemacht. Die Bundesregierung setzte die Ratifizierung vor diesem Hintergrund auf Betreiben von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vorerst aus. Am Wochenende warf Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) der EU-Kommission Versäumnisse bei der Vorbereitung von ACTA vor. Die Sorgen der Öffentlichkeit hätten viel früher aufgegriffen werden müssen, sagte Aigner der "Welt am Sonntag". (afp)