Berlin. Wer für die Piraten arbeiten wollte, musste das bislang - in den meisten Fällen - ehrenamtlich tun. Das soll sich nun ändern, fordern mehrere Mitglieder des Bundesvorstands. Es sei zu viel Arbeit, um sie neben einem Job zu stemmen. Deshalb sollen Vorstände und Mitarbeiter bezahlt werden.
Sinneswandel bei der Piratenpartei: Die Piraten kündigen kurz vor ihrem Parteitag einen radikalen Umbau ihrer Strukturen an. Wegen des raschen Wachstums müssten Vorstände und Mitarbeiter künftig bezahlt werden, sagten Vorstandsmitglieder der Nachrichtenagentur dapd. Damit verabschieden sie sich vom lange hoch gehaltenen Ideal des Nebenjob-Politikers. "Es ist einfach zu viel, um sich mal eben nachmittags nach der Arbeit hinzusetzen", sagte die politische Geschäftsführerin Marina Weisband. Sie gibt am Wochenende ihr Amt auf dem Parteitag in Neumünster ab.
Der Vorstand einer Zwei-Prozent-Partei sei nun mal deutlich mehr belastet als der Vorstand einer Zwölf-Prozent-Partei, sagte Weisband. "Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem die Kombination aus Beruf und Ehrenamt rein zeitlich nicht mehr machbar ist", ergänzte Parteichef Sebastian Nerz. Nach den Wahlerfolgen in Berlin und im Saarland stürzten sich die Medien auf die Piraten. Innerhalb weniger Wochen traten Tausende Neumitglieder ein. Mittlerweile gibt es mehr als 25.000 Piraten mit Parteibuch.
Statt Bezahlung könnten Landesverbände mehr Arbeit erledigen
Parteichef Nerz sagte, die Alternative zu einem bezahlten Bundesvorstand seien bezahlte Mitarbeiter in der Verwaltung. Derzeit gibt es in der Partei nur eineinhalb solcher Stellen. Nerz hielt es auch für denkbar, mehr Aufgaben in die Landesverbände zu schieben.
Es gibt jedoch auch kritische Stimmen. Der ebenfalls ausscheidende Schatzmeister Rene Brosig sagte der dapd: "Ich möchte meine wirtschaftliche Situation nicht von meiner politischen Meinung abhängig machen." Auch Brosig zieht sich am Wochenende von seinem Posten zurück. Er hielt nach eigenen Worten der immensen nervlichen Belastung nicht mehr Stand.
Nazi-Debatte droht den Parteitag zu überschatten
Die Bezahlung könnte zu einem Streitthema bei der Versammlung in Neumünster werden. Rund 2800 Teilnehmer erwarten die Piraten. In der Parteispitze ist deshalb schon die Rede von der "größten basisdemokratischen Veranstaltung in der Geschichte der Bundesrepublik".
Jedoch müssen sich die Piraten auch gegen den Eindruck wehren, Mitgliedern mit rechtsextremer Gesinnung eine Plattform zu bieten. Aufsehen hatte jüngst ein Mitglied aus Niedersachsen erregt: Carsten Schulz, der auch für den Parteivorsitz kandidiert, tritt für eine Straffreiheit für Holocaust-Leugner ein. Der Kandidat Dietmar Moews sprach in einem Internet-Video vom "Weltjudentum". Und der Berliner Landesvorsitzende Hartmut Semken erzürnte die Parteibasis, weil er sich weigerte, öffentlich klar gegen Nazis Position zu beziehen. Zu allem Überfluss verglich der Berliner Fraktionsgeschäftsführer Martin Delius den raschen Aufstieg der Piraten mit jenem der NSDAP. (dapd)
In drei Wochen 1000 neue Mitglieder in NRW
Parallel zu ihren guten Umfragewerten setzen die Piraten auch parteiintern ihren rasanten Aufstieg fort. Am Donnerstag begrüßten die Polit-Neulinge ihr 5000. Mitglied in NRW, wie der Landesverband in Dortmund mitteilte. Innerhalb von drei Wochen seien 1000 neue Piraten hinzugekommen. Anfang 2011 zählte die Partei noch 1900 Mitglieder. "Es vergeht kaum eine Wahlkampfaktion, aus der nicht wieder neue Mitglieder gewonnen werden", sagte Wahlkampfkoordinator Lukas Lamla.
Bis die Piraten zu den anderen nordrhein-westfälischen Parteien aufgeschlossen haben, werden sie aber noch einige Mitglieder begrüßen müssen. Die Linken zählen derzeit knapp 9000 Parteianhänger, Grüne und FDP beziffern ihre Mitgliederzahlen auf 12.000 und 16.000. Die SPD hat nach eigenen Angaben 132.000 Genossen, die CDU zählt mehr als 148.600 Mitglieder. In Umfragen liegen die Piraten derzeit knapp unter zehn Prozent und können auf den erstmaligen Einzug in den Düsseldorfer Landtag hoffen. (dapd)