Kiel. Der Sohn auf Listenplatz 1, der Stiefvater auf Platz 7, die Mutter auf Platz 9: Eine ganze Familie will für die Piraten in den schleswig-holsteinischen Landtag einziehen. Nach aktuellen Umfragen haben sie bei der Landtagswahl am 6. Mai gute Chancen. Schließlich ist der Sohn der Oberpirat im hohen Norden.

Er ist der Vorzeige-Pirat im Norden und innerhalb kürzester Zeit zum Medienprofi geworden. Journalisten jeglicher Couleur stürzen sich seit wenigen Wochen auf Torge Schmidt. Als jüngster Spitzenkandidat aller Zeiten in Schleswig-Holstein steuert der 23-Jährige eine Landtagskarriere mit der Piratenpartei an, von der er weiß, dass sie wohl weitaus unspektakulärer sein wird als der derzeitige Wahlkampf.

Antragsberatung, Aktenstudium und Ausschussdebatten, nein das alles schrecke ihn nicht, behauptet der in Elmshorn aufgewachsene Jungpolitiker. Und vielleicht gelingt den politischen Freibeutern am Wahlabend ja sogar ein familiärer Coup, denn Schmidts Stiefvater Hans-Heinrich Piepgras ist Landesvorsitzender und auf Listenplatz 7 zu finden, seine Mutter Birgitt Piepgras nimmt Listenplatz 9 ein. Die aktuellen Umfragen von zehn oder elf Prozent unterstreichen die Chancen, dass das Familientrio ins Landeshaus einzieht.

Durch Klage gegen Vorratsdatenspeicherung in die Politik

Über die Mitzeichnung der Verfassungssammelklage gegen die Vorratsdatenspeicherung fand der Büdelsdorfer den Einstieg in die Politik. Der Großhandelskaufmann hat zudem noch ein Studium der Wirtschaftsinformatik an der Fernuniversität in Hagen laufen. Beide Tätigkeiten lässt er zunächst einmal ruhen. Für den Wahlkampf hat er sich bei seinem Arbeitgeber drei Monate unbezahlten Urlaub genommen.

Das Studium will er unter allen Umständen innerhalb von fünf Jahren mit einem Bachelor beenden. Trotzdem muss er als Berufspolitiker in spe seine Lebensplanung in Kürze wohl gänzlich neu ausrichten. Ruft man in der Landesgeschäftsstelle der Piraten in Kiel an, kann es passieren, dass man den politischen Senkrechtstarter persönlich am Telefon hat.

Pirat Torge Schmidt ist ein Frühaufsteher

Der Frühaufsteher braucht bei den derzeit vielen Terminen an Wahlkampfständen besonderes Stehvermögen. Als ehemaliger American Football-Spieler der Defense in Elmshorn und Hamburg (dort sogar in der Jugend-Bundesliga) ist er immer noch sportlich fit, auch wenn jetzt nur noch Zeit für das ein oder andere Computer-Strategiespiel bleibt.

Schmidt sitzt täglich bis zu zehn Stunden vor dem Rechner und verkörpert damit das typische Parteimitglied. Transparenz ist für ihn nicht nur formuliertes Programm. Von welchem Spitzenpolitiker kann man schließlich behaupten, er stelle seine Handynummer auf seine Homepage.

Auch in Sachen Facebook verhält Schmidt sich eher gläsern. "Ich gehe als Privatmensch sehr offen mit meinen Daten um", sagt er. In dem sozialen Netzwerk hat er rund 500 "Freunde". Trotz Datenschutz-Bedenken hält er dagegen: "Das ist meine bewusste persönliche Entscheidung."

Torge Schmidt will sich für Liveübertragung von Ausschuss-Sitzungen einsetzen

Der politische Alltag bei den Piraten ist beizeiten eher hektisch. Da passt Schmidts durchgehend ruhige Art eigentlich gar nicht dazu. Gibt er nach außen derzeit vielleicht den Leitwolf, sieht er seine Rolle wie beim American Football eigentlich eher als gewöhnlichen Teamplayer. Er mag Musik der Einstürzenden Neubauten und von Joy Division.

Der Naturliebhaber und Island-Fan trägt den Spitznamen "Torch" (englisch: Fackel). Für seinen ersten Landtagsantrag hat er sich vorgenommen, die Livestream-Direktübertragung von Ausschusssitzungen im Internet zu fordern. (dapd)