Essen. . Bei der groß angelegten Razzia gegen die rechte Szene in NRW sind am Mittwoch drei 18- und 20-Jährige festgenommen worden. Die Polizei durchsuchte 20 Gebäude, darunter ein Fraktionsbüro von Pro NRW in Radevormwald. Die rechtspopulistische Bewegung wittert deshalb eine “Stigmatisierungskampagne“.

Mit 100 Beamten sind Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwochmorgen gegen die rechte Szene in Nordrhein-Westfalen vorgegangen. Die Staatsschutz-Gruppe "Im Fokus: Rechts" hatte gegen 5 Uhr damit begonnen, 20 Gebäude in Radevormwald, Düsseldorf, Wuppertal und Essen, darunter das Fraktionsbüro der rechtspopulistischen Partei Pro NRW in Radevormwald, zu durchsuchen, wie die Polizei in Köln mitteilte. Auch Spezialeinheiten waren im Einsatz. Der Einsatz sei mittlerweile abgeschlossen, teilte die Polizei um kurz nach 10.30 Uhr mit. Neben "umfangreichem Datenmaterial und Unterlagen" seien verbotene Gegenstände, Wurfsterne, Messer und Schusswaffen sichergestellt worden.

Bei der groß angelegten Aktion wurden außerdem drei Haftbefehle gegen führende Köpfe des rechtsextremen "Freundeskreis Rade" vollstreckt. Staatsanwaltschaft und Polizei werfen ihnen die Bildung einer kriminellen Vereinigung vor. "Es hat drei Festnahmen gegeben", bestätigte Ulf Willuhn, Oberstaatsanwalt in Köln, auf Anfrage von DerWesten. Bei den Festgenommenen handele es sich um zwei 18- und einen 20-Jährigen, sagte Willuhn. Ihnen werde vorgeworfen, "maßgebliche Mitglieder" des "Freundeskreises Rade" und an diversen Fällen von Körperverletzung beteiligt gewesen zu sein. Die Festgenommenen sollen am Donnerstag dem Haftrichter vorgeführt werden.

Überschneidungen zwischen Pro NRW und dem "Freundeskreis Rade"?

Die Ermittlungen richten sich aber insgesamt gegen 18 Beschuldigte. Es sei deutlich geworden, dass sich der "Freundeskreis Rade" zusammengeschlossen habe, um rechtsextremes Gedankengut zu verbreiten. Es bestehe zudem der Verdacht, dass Mitglieder dieser Vereinigung erhebliche Straftaten und Gewaltverbrechen begangen hätten, hieß es.

Unter den 20 durchsuchten Objekten seien eine Lagerhalle sowie die 18 Wohnungen der Beschuldigten - jeweils auch eine Wohnung in Düsseldorf und Essen - gewesen, berichtete Oberstaatsanwalt Willuhn. Das Büro der Ratsfraktion von Pro NRW in Radevormwald sei durchsucht worden, weil es den Verdacht gebe, dass es "personelle Überschneidungen" zwischen der rechtspopulistischen Partei und dem als kriminell eingeschätzten "Freundeskreis Rade" gebe. Womöglich hätte die kriminelle Vereinigung auch auf Infrastruktur und Gelder der Pro-NRW-Fraktion zugreifen können. "Ob das so war", sagte Ulf Willuhn, "müssen die Ermittlungen zeigen."

Anstieg rechtsextremer Gewalt

Pro NRW wittert derweil eine "Stigmatisierungskampagne" und sieht sich, so heißt es in einer eilig veröffentlichten Erklärung, "zwei Wochen vor der Landtagswahl (...) öffentlichkeitswirksam an den Pranger" gestellt. Selbstverständlich unterstütze man die Staatsanwaltschaft "bei ihrem Versuch, den neonazistischen Sumpf in NRW trocken zu legen", heißt es weiter. Wenn Provokateure Zugang zu unserem Fraktionsbüro gehabt haben, so wird dies zu Konsequenzen führen." Man werde sich aber dagegen wehren, von Innenminister Jäger "maximal behindert" zu werden.

"Wir machen den Rechten Druck mit der Sonderkommission 'Im Fokus: Rechts'", sagte Polizeipräsident Wolfgang Albers. "Wir halten Wort", betonte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). "Der Ermittlungsdruck auf die Neonazis wurde deutlich erhöht, kriminelle Aktivitäten rechtsextremistischer Straftäter werden entschlossen geahndet." Das Vorgehen sei Teil seines Acht-Punkte-Programms.

Das Programm, das Jäger im Dezember präsentiert hatte, sieht unter anderem die Erfassung aller Straftaten von Neonazis und eine Verschärfung des Waffengesetzes vor. Zudem sind darin mehr Kontrollen in der rechtsextremen Szene vorgesehen. Der Minister hatte angekündigt, den Rechten im Land "keinen fußbreit Raum zu lassen". Darin bezog Jäger auch die rechtspopulistische Pro NRW ein. Ihre Mitglieder bezeichnete er als "Neonazis in Nadelstreifen".

Von 2010 auf 2011 war die Zahl der politisch motivierten Gewalttaten von Sympathisanten der rechten Szene um fast 23 Prozent gestiegen. (shu/afp/dapd)