Karlsruhe. Harte Worte und schrille Reden beim Parteitag in Karlsruhe. Liberale gehen auf Distanz zur CDU. Die Delegierten feiern Christian Lindner und Wolfgang Kubicki.
„Kugelhagel“, sagt der Mann. Tatsächlich „Kugelhagel“. Ist Krieg? Dies ist doch nur die „dm-Arena“ auf dem Karlsruher Messegelände, in der es allerdings von verbalen Querschlägern nur so zischt und pfeift.
Da hört man einen Parteichef Philipp Rösler gegen „Miesmacher, Pessimisten, Tugendwächter, Fortschrittsskeptiker“ giften und sich über die „ökologistische Lebensstildiktatur“ grüner „Jakobiner“ in einem Ton ereifern, der Guido Westerwelles schrillste Tiraden vors innere Gehör ruft. Da verwahrt sich ein Christian Lindner stellvertretend für die Bürger dagegen, von Sozis und Grünen „gewissermaßen in Schutzhaft genommen zu werden“.
Die FDP - eine Partei im gefühlten Belagerungszustand
Und der bislang „designierte“ Generalsekretär Patrick Döring, den die Delegierten anschließend mit immerhin 72,05 Prozent im Amt bestätigen werden, empfiehlt sich für den Job tatsächlich mit den Worten: „Der Generalsekretär der FDP muss sich für den Vorsitzenden, für die Führung der Partei, für uns alle in den Kugelhagel der Gegner werfen.“ Und setzt hinzu: „Zu all dem bin ich bereit.“ Das also ist die FDP zwei Wochen vor der Wahl in Schleswig-Holstein, drei Wochen vor der Entscheidung in NRW. Eine Partei im gefühlten Belagerungszustand. Schwankend zwischen Bangen und Trotz.
„Wenn die CDU nicht mehr eine bürgerliche Alternative sein will“, weil sie neuerdings Rote und Grüne hofiere, „dann sind eben wir es allein“, schleudert Lindner unter Beifall dem einstigen Wunschpartner ins Gesicht. Schwarz-Grün, eine „Koalition zwischen Vater Staat und Mutter Erde“, höhnt er.
Kubicki redet sozial-liberal
„Wir werden von außen hart und persönlich angegriffen“, klagt Parteichef Rösler. „Wir müssen uns rechtfertigen“, in der Familie, bei Freunden, am Arbeitsplatz. „Skurril“ findet er das, und er dankt den Delegierten „für die Entschlossenheit, Tag für Tag dem Zeitgeist die Kraft der Freiheit entgegenzuhalten“.
Ja, der Zeitgeist. Er hat die FDP verlassen. Zusammen mit zwei Dritteln ihrer Wähler von 2009 und, wie sie fürchten muss, den Christdemokraten. Was nun? Eine der Antworten auf diesem Parteitag lautet: Die FDP will nicht mehr als Steuersenkungs-Partei firmieren. Sondern als Schuldenabbau-Partei. „Steuersenkung ist kein Wert an sich“, ruft Wolfgang Kubicki aus, Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein. Er wünsche sich eine FDP, „die sich als Partei neu besinnt, neu findet, neu ordnet“.
Und dann redet er, als wollte er morgen mit der SPD ins Boot. Für einen auf 49 Prozent erhöhten Reichensteuersatz. Für branchenspezifische Lohnuntergrenzen. Gegen Unternehmen, deren Geschäftsmodell darin bestehe, die Hungerlöhne ihrer Mitarbeiter aus Steuergeld aufstocken zu lassen. Der Staat müsse finanziell angemessen ausgestattet sein, fordert Kubicki. Wann hat man derlei in der FDP zuletzt gehört?
Auch Lindner, der andere Hoffnungsträger, wirbt für eine erneuerte Partei. „Eine gewisse Bescheidenheit“ empfiehlt er den Liberalen: „Wo Selbstbewusstsein und Bescheidenheit zusammenkommen, ergibt sich Souveränität.“
Beide tun ihr Bestes
Er wünsche sich eine FDP, die sich „schon im Stil“ von anderen positiv abhebe. Als er nach 23 Minuten fertig ist, reißt es die Delegierten von den Stühlen. Röslers 72 Minuten werden zwar auch im Stehen, aber doch eher pflichtgemäß beklatscht.
Dabei tun die beiden anderen schon ihr Bestes, um jedem Verdacht eines Risses zwischen ihnen und dem Parteivorsitzenden vorzubeugen. Artig würdigen beide Philipp Röslers Unterstützung in ihren Wahlkämpfen. Kubicki erklärte sogar: „Seit gestern sagen wir Philipp und Wolfgang zueinander.“