Berlin. . Merkozy oder Merkollande? Was bedeutet die Präsidentschaftwahl am Sonntag für das Verhältnis zu Deutschland? Zwei Tage vor den französischen Präsidentschaftswahlen haben Umfragen einen deutlichen Sieg des sozialistischen Herausforderers François Hollande vorausgesagt. Angela Merkel wäre wohl ein andere Sieger lieber: Nicola Sarkozy.

Wenn Angela Merkel die Wahl hätte, wäre es einfach: Nicolas Sarkozy, wer sonst? Die Kanzlerin muss sich indes für den Fall wappnen, dass sein sozialistischer Herausforderer François Hollande die Wahl in Frankreich gewinnt und Präsident wird. Die Demoskopen sehen Hollande vorn. Adieu Merkozy, Bonjour Merkollande?

Auf Sarkozy hat sich Merkel eingestellt und mit ihm den EU-Kurs abgesteckt. Beide kommen aus dem konservativen Lager. Bei wichtigen Reformen orientiert er sich an Deutschland. Er steht für Kontinuität und Hollande für einen Neuanfang. „Ich möchte eine große Änderungsbewegung anstoßen.“ So kündigte er sich in Berlin an, und zwar auf einem SPD-Parteitag. Die Kanzlerin ist alarmiert, weil er vieles infrage stellen könnte, und weil sein Sieg die SPD stimulieren würde.

Die Psychologie

Frankreich ist ein schwieriger Partner, ganz gleich, wer regiert. Nach einer Wahl wäre Sarkozy neu legitimiert, während Merkel sich im kommenden Jahr selbst zur Wahl stellen muss. Er ist immer für einen Alleingang gut. Gegenüber Hollande wäre Merkel hingegen psychologisch im Vorteil, zumindest in der EU. Er wäre neu auf der Bühne, sie wird allseits respektiert. Vom Typ her müsste er ihr eher liegen: verbindlich, verlässlich, grundsolide. Über den sprunghaften Sarkozy hat sie anfangs gestaunt. Hollande ist berechenbar.

Vorbelastetes Verhältnis

Das Verhältnis zu Hollande aber ist vorbelastet. Die Kanzlerin hat ihn nicht empfangen. „Ein Fehler“, meint SPD-Chef Sigmar Gabriel. „Das war keine Verpflichtung für sie“, räumt Hollande ein, „also warte ich darauf, dass das französische Volk mir den Auftrag gibt, mit der Kanzlerin auf Augenhöhe zu verhandeln.“ Sein erster Besuch werde ihn nach Deutschland führen, versicherte Hollande. Die Botschaft zwischen den Zeilen: Ich bin nicht nachtragend.

Fremde Freunde

Gefremdelt haben sie anfangs alle, Kohl mit Mitterrand, Chirac mit Schröder, Merkel mit Sarkozy. Am Ende hat noch jeder Kanzler, jeder Präsident erkennen müssen: Es geht nur zusammen. Ex-Kanzler Gerhard Schröder sagt: „Sie können in Europa keine Entscheidung treffen, wenn Deutsche und Franzosen nicht eine gemeinsame Position finden.“

Die Zielkonflikte

Sarkozy wie Hollande wünschen sich eine aktivere Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Eurokrise. Eine Frage der Tradition. Die Franzosen wollen das Wachstum ankurbeln. „Ich weiß auch“, so Hollande, „wie sehr hier in Deutschland der Kampf gegen die Inflation eine Rolle spielt.“ Den Zielkonflikt würde Merkel stärker spüren als ein SPD-Kanzler. Schwierig wird es, wenn Hollande für sein Land eine Schuldenbremse ablehnt und den Fiskalpakt neu aushandeln will. Das ist sein erklärtes Ziel. Mit Sarkozy verlöre Merkel ihren wichtigsten Partner für die neue Euro-Stabilitätspolitik.

Ist Hollande „naiv“?

Wenn Hollande wirklich eine Chance zu Neuverhandlungen sähe, wäre er „naiv“, bemerkte Ex-Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Frankreich-Kenner sagen, es gebe wenige Länder, in denen Realpolitik und Wahlkampf so auseinander klafften wie in Frankreich. Im Klartext: Nach der Wahl kommt der „Realitäts-Check“. Hollande wird im Inland schmerzhafte Reformen in Angriff nehmen. In der EU kann er den Fiskalpakt nicht stoppen; er würde die Bonität Frankreichs gefährden. Er kann wohl darauf dringen, dass die Finanztransaktionssteuer eingeführt wird und Wachstum stärker gefördert wird. Darüber würden Merkel und Hollande streiten – und sich verständigen.

„Ohne den äußeren Druck, ohne Euro- und Schuldenkrise hätte es Merkozy nie gegeben. Beide mussten dafür über sehr lange Schatten springen“, weiß Professor Frank Baasner, Direktor des Deutsch-Französischen Instituts. Auch „Merkollande“ ist möglich.