Berlin. .
Der Bundestag hat die Sicherungsverwahrung neu geregelt. Verurteilte Schwerst-Verbrecher können demnach auch nach Verbüßung ihrer Haft im Gewahrsam bleiben. Zudem wurde der Weg frei gemacht für die elektronische Fußfessel.
Ein Jahr nach dem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes hat der Bundestag die umstrittene Sicherungsverwahrung grundsätzlich neu geregelt. Am Donnerstag beschloss das Parlament mit den Stimmen von Union, FDP und SPD, ab kommenden Jahr die Sicherungsverwahrung von Straftätern nach einer Verbüßung der eigentlichen Haftstrafe auf schwerste Fälle wie Mord oder Vergewaltigung zu beschränken.
Ferner wird die Voraussetzung für eine elektronische Aufenthaltsüberwachung von rückfallgefährdeten Tätern geschaffen. Schließlich wird mit einem Gesetz zur Therapierung und Unterbringung die Möglichkeit geschaffen, psychisch gestörte Gewalttäter bei anhaltender Gefahr weiterhin gesichert unterzubringen. Das betrifft die sogenannten Altfälle, die infolge des seit 10. Mai rechtskräftigen EGMR-Urteils aus der Sicherungsverwahrung bereits entlassen wurden oder noch entlassen werden sollen. In Einzelfällen wird es auch künftig möglich sein, psychisch gestörte und weiterhin gefährliche Gewalt- oder Sexualstraftäter nach doppelter Begutachtung in geeigneten Einrichtungen zur Therapie unterzubringen.
Nachträgliche Sicherungsverwahrung abgeschafft
Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom Dezember 2009, wonach eine nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt. Seit Anfang 1998 erlaubte das Gesetz in Deutschland, die Sicherungsverwahrung bei fortdauernder Gefährlichkeit unbefristet zu verlängern - auch im Falle zuvor begangener Taten. Bis dahin hatte eine Höchstdauer von zehn Jahren gegolten. Mit dem EGMR-Urteil mussten daher Personen, die vor dem 30. Januar 1998 in Sicherheitsverwahrung genommen worden waren, freigelassen werden.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) begrüßte die Bundestagsentscheidung. „Die rechtsstaatlich umstrittene nachträgliche Sicherungsverwahrung ist nun weitgehend abgeschafft“, sagte sie. Dafür werde die vorbehaltene Sicherungsverwahrung ausgebaut. Damit kann das Gericht schon bei schwer straffälligen Ersttätern eine Sicherungsverwahrung im Urteil androhen, die vor dem Ende des Strafvollzuges aufgrund einer Gefährlichkeitsprognose verhängt werden kann. So soll auf notorisch gefährliche Schwerverbrecher Druck ausgeübt werden, aktiv an einer Resozialisierung wie mit einer therapeutischen Behandlung mitzuwirken.
Grüne befürchten „Chaos im Strafvollzug“
Vertreter von Union und FDP verteidigten die Vorlage und betonten, ein solcher Eingriff dürfte in einem Rechtsstaat nur das letzte Mittel sein. Daher sei der Katalog der Anlass-Taten auf schwere Sexualdelikte sowie und andere schwere Gewalttaten mit hoher Strafandrohung beschränkt. Die SPD, die ebenfalls zustimmte, wies darauf hin, dass Vermögensdelikte aus diesem Katalog herausgenommen worden seien.
Grüne und Linke lehnten das Gesetzesvorhaben indes als eine „schlechte Lösung“ ab. Der Grünen-Rechtsexperte Jerzy Montag unterstrich, die Vorschriften über Staatsschutz, Drogenstrafrecht und Kriegsrecht hätten „mit dem Charakter der Sicherungsverwahrung nichts zu tun“. Auch die vorbehaltene Sicherungsverwahrung sei ein Fehler, da mit der Androhung einer weiteren Strafe nach Verbüßung der eigentlichen Haftstrafe ein „Chaos im Strafvollzug“ drohe.
Ähnlich kritisch äußerte sich die Linke-Abgeordnete Halina Wawzyniak. Es bleibe die Möglichkeit bestehen, nur wegen Vermutung möglicher schwerer Straftaten, zu denen auch Staatsschutzdelikte gehörten, Menschen weiter „präventiv wegzusperren“. Zudem werde die Rückfallfrist auf 15 Jahre ausgedehnt. Daher sei es zu begrüßen, dass Brandenburg den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anrufen wolle. (dapd)