Rangun. Nachdem Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi ins Parlament gewählt wurde, wurde nun auch der “Erdrutschsieg“ der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) in Birma bestätigt. Bei der Nachwahl gewann die NLD fast alle der zur Wahl stehenden Mandate. Suu Kyi hofft auf den Anfang einer neuen Ära.
Einen Tag nach ihrem Triumph bei der Nachwahl in Birma ist die langjährige Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi am Montag als strahlende Siegerin vor ihre Anhänger getreten. "Unser Erfolg ist ein Erfolg des Volkes", sagte die Friedensnobelpreisträgerin vor der Parteizentrale ihrer Nationalen Liga für Demokratie (NLD) in der Metropole Rangun. Tausende Unterstützer jubelten ihr zu und skandierten ihren Namen. "Es ist nicht so sehr unser Triumph, sondern der Triumph des Volkes, das entschieden hat, sich am politischen Prozess in diesem Land zu beteiligen", sagte Suu Kyi. "Wir hoffen, dass das der Anfang einer neuen Ära sein wird."
Die NLD habe 40 von 45 Mandaten errungen, meldete der staatliche Rundfunk am Montag unter Berufung auf die Wahlkommission. Aus fünf Bezirken lägen noch keine Ergebnisse vor. NDL-Sprecher Han Than hingegen erklärte, seine Partei habe mindestens 43 der 44 Parlamentssitze erobert, um die sie sich beworben hatte. Selbst in der vor allem von regierungstreuen Beamten bewohnten Hauptstadt Naypyitaw habe die Bewegung alle vier Sitze errungen. Ein Sprecher der Wahlkommission bestätigte inoffiziell, dass die NLD alle sechs Wahlkreise in der Metropole Rangun gewonnen habe. Ergebnisse aus abgelegeneren Gegenden würden bis Mitte der Woche erwartet, hieß es.
Fast 20 Jahre lang stand Suu Kyi unter Hausarrest
Nach dem Wahlsieg Suu Kyis in ihrem eigenen Wahlkreis südlich von Rangun bekräftigte ein Berater von Präsident Thein Sein die Möglichkeit, dass die Friedensnobelpreisträgerin einen Posten im Kabinett erhalten könnte. "Alles ist möglich. Sie könnte angesichts ihrer Fähigkeiten jede verantwortungsvolle Position übernehmen", sagte Nay Zin Latt.
Suu Kyi stand fast 20 Jahre unter Hausarrest, nachdem ihre Partei bei den Parlamentswahlen 1990 einen Erdrutschsieg erzielt hatte, der von der Militärjunta allerdings nicht anerkannt worden war. Sollte ihr Sieg bei der Nachwahl bestätigt werden, wäre es das erste Mal, dass die 66-Jährige ein öffentliches Amt bekleidet.
Insgesamt standen bei der Nachwahl am Sonntag 45 frei gewordene Sitze im 664 Mitglieder zählenden Parlament zur Wahl. Die vom Militär gestützte Regierung behält aber auch nach dem deutlichen Sieg der NLD die Kontrolle über beide Kammern.
EU-Wahlbeobachter zeigen sich zufrieden mit Ablauf der Wahl
Die Leiterin der Wahlbeobachtermission der EU, Malgorzata Wasilewska, zeigte sich mit dem Ablauf der Abstimmung grundsätzlich zufrieden, wollte aber die Wahl zunächst noch nicht für glaubhaft erklären. "In den Wahllokalen, die ich besucht habe, sah ich viel fachlich gutes Verhalten und viel guten Willen, was sehr wichtig ist", sagte sie.
US-Außenministerin Hillary Clinton begrüßte das Ergebnis der Nachwahl. "Selbst die repressivsten Regime können sich reformieren, selbst die am stärksten abgeschotteten Gesellschaften können sich öffnen", sagte sie auf einer Pressekonferenz in Istanbul. Die USA unterstützten die Reformbemühungen in dem südostasiatischen Land.
Der Sieg der Liga ist ein Meilenstein für Birma, das bis vor kurzem international noch völlig isoliert war. Jahrzehnte lang herrschte eine mit harter Hand regierende Militärjunta. Die im vergangenen Jahr vom Militär eingesetzte Zivilregierung überraschte dann aber die Öffentlichkeit mit zahlreichen Reformen: Unter Präsident Sein wurden politische Gefangene freigelassen, Waffenruhen mit Rebellengruppen geschlossen und ein direkter Dialog mit Suu Kyi eingeläutet.
Birma will sich wirtschaftlich und politisch öffnen
Auch wirtschaftlich will sich das Land öffnen. Künftig solle der Wert der Landeswährung Kyat über ein gesteuertes System der freien Wechselkurse bestimmt werden, berichtete kürzlich die staatliche Zeitung "New Light of Myanmar". Die neue Regelung sollte am Montag in Kraft treten. Über Jahrzehnte hatte die Zentralbank den Kurs künstlich hochgehalten. So war der offizielle Wechselkurs 125-fach überbewertet. Auf dem Schwarzmarkt war ein Dollar zuletzt für fast 800 Kyat gehandelt worden.
Trotz der Hinweise auf eine politische und wirtschaftliche Öffnung Birmas warnte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch vor zu hohen Erwartungen, die viele im Westen in die Nachwahl gelegt hätten. "Die harte Arbeit beginnt danach", sagte der Birma-Experte David Scott Mathieson. "Verfassungsreformen, Rechtsreformen, der Kampf gegen die systematische Korruption, nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung - das wird Jahre brauchen." (dapd)